Bauen | Expertentipp

Stimmt es, dass alte Fertighäuser schadstoffbelastet sind?


Der Kauf eines alten Fertighauses sorgt bei vielen Interessenten für große Verunsicherung: Gebäude aus den 60er, 70er und frühen 80er Jahren sollen stark schadstoffbelastet sein. Doch was ist wirklich dran an dem Verdacht?

  1. Mit Holzschutzmittel behandelte Bauteile
  2. Formaldehyd in alten Spanplatten
  3. Typische Geruchsstoffe im alten Fertighaus: Chloranisole & Chlornaphtaline
  4. Gesundheitsgefährliches Asbest in Fassaden
  5. Fazit: Wie schadstoffbelastet sind ältere Fertighäuser?

Ein gebrauchtes Haus zu kaufen, kann je nach Zustand der Immobilie viele Vorteile haben. Insbesondere der günstige Preis lockt Interessenten. Als Schnäppchenhäuser gelten unter anderem alte Fertighäuser. Doch gerade Fertighäuser, die vor 40, 50 Jahren gebaut wurden stehen im Verdacht, schadstoffbelastet zu sein. Stimmt das?

Natürlich lässt sich keine pauschale Antwort darauf geben, ob alle älteren Fertighäuser schadstoffbelastet sind. Allerdings kann man davon ausgehen, dass in vielen Fertighäusern aus den 1960er-, 1970er- und den frühen 1980er-Jahren Schadstoffe mit verbaut wurden. Dazu zählen vor allem:

  • Giftige Holzschutzmittel
    • PCP (Pentachlorphenol)
    • TeCP (Tetrachlorphenol)
    • Lindan
    • Abbauprodukt gamma-Pentachlorcyclohexen (g-PCCH)
  • Reizstoffe
    • Formaldehyd
    • Ameisensäure
    • Essigsäure
  • Geruchsstoffe
    • Chloranisole
    • Chlornaphtaline
  • Asbest

Generell gilt: Vor dem Hauskauf ist eigentlich immer eine professionelle Gebäudeanalyse dringend zu empfehlen. Wenn ihr von einem Experten eventuelle Baumängel prüfen lasst, dann nutzt die Gelegenheit und beauftragt gleich auch eine Untersuchung auf Schadstoffe. Dazu könnt ihr auch einen Baubiologen zu Rate ziehen.

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Mit Holzschutzmittel behandelte Bauteile

Im Fertigbau kommen seit jeher vor allem Holz und Holzwerkstoffe zum Einsatz – zum Beispiel für Wandverkleidungen, Holzvertäfelungen und Bodenplanken. Diese vorgefertigten Bauteile wurden bis in die frühen 1980er-Jahre gemäß der damals geltenden Norm DIN 68800 mit chemischen Holzschutzmitteln bearbeitet.

Sie sollten einem Befall mit Fäule- und Bläuepilzen, Schimmel und Insektenlarven vorbeugen. Das Problem: Viele der damals verwendeten Holzschutzmittelwirkstoffe wie PCP (Pentachlorphenol), TeCP (Tetrachlorphenol) und Lindan gelten heute als gesundheitsschädlich. Sie lassen sich auch nach Jahrzehnten noch in der Raumluft und im Hausstaub nachweisen.

Heutzutage gibt es wesentlich strengere gesetzliche Vorgaben beim Holzschutz – und vor allem guten Alternativen zur Chemie. Mehr zum Thema lest ihr hier: Holzschutzmittel: Was wirklich hilft und euer Holz schützt

Formaldehyd in alten Spanplatten

Eine weitere Belastung stellen Spanplatten dar, die typischerweise in Fertighäusern verbaut sind. Für die Herstellung werden Holzspäne in Leim eingerührt und unter hohen Temperaturen zu Platten gepresst. Als Leim wurden früher häufig Formaldehyd-Gemische verwendet. Vor 50 Jahren verbaut, entweicht das gesundheitsschädliche Formaldehyd auch heute noch aus den Platten. Durch Raumluftmessungen lässt sich die organisch-chemische Verbindung nachweisen – ein wichtiger Check vor dem Hauskauf.

Von den verbauten Spanplatten, insbesondere von groben OSB-Platten, können auch weitere Ausdünstungen ausgehen. So lassen sich insbesondere flüchtige organische Verbindungen von Ameisen- und Essigsäure in der Raumluft alter Fertighäuser nachweisen, die auch als Atemwegs-Reizstoffe bekannt sind. Der Prozess ist ebenfalls bedingt durch das Herstellungsverfahren von Holzspanplatten, bei der die Holzspäne eine physikalisch-chemische Veränderung erfahren, die sich auf das Säureverhalten des Holzes auswirkt.

Neben Formaldehyd, das aus alten Spanplatten ausdünsten kann, lässt sich in älteren Fertighäusern häufig auch ein muffig-modriger Geruch wahrnehmen, der durch Geruchsstoffe wie Chloranisole oder Chlornaphtaline verursacht wird und stark an Schimmelgeruch erinnert.

Zwar ist nach Angaben des ARGUK-Umweltlabors eine toxikologisch basierte Gesundheitsgefährdung nicht gegeben. Dennoch wird man den muffigen Geruch selbst nach einer energetischen Sanierung der Außenwände oft nicht vollständig los, was langfristig zur Belastung der Hausbewohner führen kann.

Gesundheitsgefährliches Asbest in Fassaden

Bis in die frühen 1990er-Jahre war der Einsatz von Asbest im Hausbau Standard. Erst 1993 (!) hat man den Einsatz in Deutschland verboten. Asbestfasern wurden vor allem in den Verkleidungen der Fassaden verbaut, etwa in Eternitplatten. Solange sie nicht mechanisch bearbeitet werden, zum Beispiel durch Bohrungen, geht heute keine Gefahr davon aus. Freigesetzte Asbestfasern hingegen gelten als krebserregend. Sie sollten nicht in die Atemwege gelangen.

Fazit: Wie schadstoffbelastet sind ältere Fertighäuser?

Lindan, Asbest, Formaldehyd – die Liste der Stoffe, die früher selbstverständlich beim Hausbau zum Einsatz kamen und heute als gesundheitsgefährdend gelten, ist lang. Das gilt aber nicht explizit nur für Fertighäuser. Auch beim konventionellen Hausbau kamen diese Schadstoffe zum Einsatz (mehr dazu lest ihr hier: "Baumängel nach Baujahr: Das müsst ihr wissen, wenn ihr ein altes Haus kauft").

Aber eins ist klar: Die Gefahr, das ältere Fertighäuser schadstoffbelastet sind, ist relativ hoch. Bevor ihr also ein altes Fertighaus kauft, solltet ihr es von einem Experten auf Schadstoffe überprüfen lassen. Denn eine umfassende Sanierung kann die Kosten kräftig in die Höhe treiben. Oder ihr entscheidet euch dafür, doch lieber ein neues Fertighaus zu bauen? In diesem Fall seid ihr auf der sicheren Seite, denn die Fertighaus-Hersteller legen heutzutage großen Wert auf die Wohngesundheit ihrer Modelle.

Ob ältere Fertighäuser schadstoffbelastet sind ist nicht die einzige Frage, mit der wir uns beschäftigt haben. Hier eine Übersicht über die Fertighaus-Mythen, die wir genauer unter die Lupe genommen haben:

Quellen: Studie zu Ameisen- und Essigsäure

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