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Muskelhypothek: So könnt ihr eure Eigenleistung als Eigenkapital nutzen

Fast überall in Deutschland steigen die Baukosten. Viele Bauherren, Modernisierer und Sanierer überlegen, wo sie beim Hausbau Kosten reduzieren können. Vor allem, wer selbst mit anpackt, kann ordentlich Geld sparen. Warum dann die Rede von einer Muskelhypothek ist, und was ihr dazu wissen müsst, verraten wir euch.

Was ist eine Muskelhypothek?

Als Muskelhypothek bezeichnet man umgangssprachlich den Betrag, den ihr als Bauherren oder zukünftige Eigentümer einer Immobilie selbst in Form von Eigenleistungen oder Sachleistungen einbringt.

Von einer Eigenleistung ist immer dann die Rede, wenn ihr für handwerkliche Arbeiten keine fremden Gewerke beauftragt, wie zum Beispiel Maler, Fliesenleger oder Trockenbauer. Die eigene "Muskelkraft" könnt ihr bei der Baufinanzierung als Eigenleistung beim Eigenkapital anrechnen lassen. Mit ihr sinken die Baukosten, wodurch eure Eigenkapitalquote steigt. Somit erhöht ihr die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entscheidung bei der Kreditvergabe.

Auch Familie und Freunde dürfen als Bauhelfer unterstützen. Welche Versicherung ihr dann abschließen solltet, lest ihr weiter unten.

Info: Habt ihr euch beim Hauskauf für ein Bausatzhaus (nur Rohbau) oder Ausbauhaus (Rohbau plus zusätzlich vereinbarte Leistungen) entschieden, könnt ihr viele Aufgaben beim Innenausbau selbst übernehmen und sie euch als Muskelhypothek anrechnen lassen.

Beim schlüsselfertigen Haus gibt es kaum die Möglichkeit, Eigenleistungen einzubringen. Sie ist somit die teuerste Ausbaustufe, aber auch die bequemste.

Kein Eigenkapital und trotzdem ein Baukredit? Erfahrt hier mehr: "110-Prozent-Finanzierung: Ohne Eigenkapital ins Eigenheim"

Welche Eigenleistungen kann ich als Eigenkapital anrechnen lassen?

Grundsätzlich könnt ihr alle in Eigenregie durchgeführte Arbeiten im und am Haus als Eigenleistung anrechnen lassen. Überlegt euch jedoch vorher genau, ob ihr das handwerkliche Geschick dafür mitbringt. Denn jeder Fehler wirkt sich am Ende negativ auf euer Einsparpotenzial aus. Im schlimmsten Fall entstehen für euch sogar zusätzliche Kosten, weil etwas schiefgelaufen ist und ihr einen Baumangel verursacht habt.

Wer handwerklich begabt ist, kann viele Aufgaben übernehmen – beim Innenausbau aber auch im Außenbereich. Die größte Muskelhypothek lässt sich jedoch beim Innenausbau realisieren:

Komplizierte Elektroinstallationen, Sanitär-Arbeiten oder Arbeiten, die mit tragenden Wänden oder dem Dachstuhl zu tun haben, solltet ihr besser von einem Fachbetrieb ausführen lassen. Es sei denn, ihr kennt euch damit wirklich gut aus.

Muskelhypothek nachweisen: Welche Nachweise für die Eigenleistung?

Bei einer Muskelhypothek von bis zu 20.000 Euro verlangen kreditgebende Institute meist noch keinen konkreten Nachweis über euer Können. Alles was darüber liegt, stellt für sie allerdings ein finanzielles Risiko dar, weshalb sie Nachweise von euch verlangen können.

Seid ihr oder eure Helfer in einer Branche tätig, die mit Hausbau und Renovierung zu tun hat, könnt ihr zum Beispiel Qualifikationsnachweise wie Ausbildungszeugnisse oder Meisterbriefe vorlegen. Dann sind kreditgebende Institute weniger kritisch bei der Anrechnung der Eigenleistungen. Seid ihr jedoch völlig fachfremd, solltet ihr in irgendeiner Form nachweisen können, dass euer handwerkliches Geschick übers Tapezieren oder Boden verlegen hinausgeht.

Lest auch: "Eigenkapitalnachweis: Wieso? Wie viel? Woher?"

Risiken bei der Muskelhypothek im Überblick

Die Vorstellung beim Hausbau eine Menge Geld zu sparen, indem man viele Arbeiten selbst erledigt, klingt bei den aktuellen Baupreisen natürlich verlockend. Ihr solltet euch jedoch vorher auch mit den damit verbundenen Risiken auseinandersetzen:

  • Hoher Zeitaufwand: Neben dem Vollzeitjob müsst ihr häufig nach Feierabend, am Wochenende oder an Urlaubstagen auf der Baustelle arbeiten.
  • Termindruck & verlängerte Bauzeiten: Andere Gewerke oder das Bauunternehmen müssen auf eure Fertigstellung warten, um weitermachen zu können. Liegt ihr nicht im Zeitplan, kann es im Bauablaufplan zu Verzögerungen kommen, der Einzugstermin verschiebt sich nach hinten.
  • Fehlende Qualifikationen: Ihr habt euer eigenes handwerkliches Geschick überschätzt und könnt die Eigenleistungen nicht richtig ausführen.
  • Keine Gewährleistungsansprüche: Habt ihr unsauber gearbeitet, können früher oder später Baumängel auftreten, auf die ihr keine Gewährleistung bekommt, weil ihr sie selber verursacht habt.

Zeit ist Geld: Eigenleistung beim Hausbau nicht überschätzen

Wer nicht das Know-how und dazu noch wenig Zeit hat, sollte sich genau überlegen, wie viele und welche Eigenleistungen er oder sie selbst einbringen will und kann. Der Verband Privater Bauherren (VPB) warnt: Überschätzt eure Eigenleistung beim Hausbau nicht!

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Geld ihr durch Eigenleistung sparen könnt und wie viel Zeit ihr dafür einplanen solltet, hat der VPB eine Beispielrechnung aufgestellt:

Wer beispielsweise im Raum München ein Reihenendhaus baut, mit drei Etagen, einschließlich Keller und 140 Quadratmetern Wohnfläche, der kann bei reinen Baukosten von knapp 254.000 Euro bis zu 19.000 Euro durch Eigenleistung einsparen.

Ein vergleichbares Haus im Großraum Leipzig/Dessau ist bereits für knapp 218.000 Euro zu haben. Durch Eigenleistungen können Bauherren dort bis zu 16.000 Euro sparen (Stand 2017). Info: In den vergangenen Jahren sind die Baukosten drastisch angestiegen, die genannten Preise sind also nur als Rechenbeispiel zu verstehen.

Das klingt zunächst nach viel Geld, das ihr durch Eigenleistung sparen könnt. Der Preis dafür ist aber hoch: Als Bauherren müsst ihr nämlich 476 Stunden auf der eigenen Baustelle schuften, um so viel Geld zu sparen.

Herunter gebrochen auf eine 40-Stunden-Woche bedeutet das: zwölf Wochen oder ein Vierteljahr. Die wenigsten werden das mit der Arbeitszeit vereint bekommen. Auch Urlaub und Wochenenden müsstet ihr vermutlich opfern.

Hinzu kommt, dass die monatelange körperliche Doppelbelastung an den Kräften zehrt. In Eigenregie ist das also kaum zu machen, zumal euch als Laien auf der Baustelle die Routine fehlt und ihr erfahrungsgemäß maximal zwei Drittel der Leistung eines Profis schafft, so die Einschätzung des VPB.

Kommt es dann zu zeitlichen Verzögerungen auf der Baustelle, müssen, wie oben erwähnt, andere Gewerke auf eure Fertigstellung warten, bis sie anfangen können. Insgesamt verlängert sich dadurch nicht nur die Bauzeit, auch der Einzug verschiebt sich. Folglich müsst ihr in der Regel länger Miete zahlen.

Muskelhypothek: Wie hoch ist die Ersparnis durch Eigenleistung?

Bei der Muskelhypothek wird die Eigenleistung auf das verfügbare Eigenkapital angerechnet. In der Regel könnt ihr bei den meisten Banken oder Baufinanzierern zwischen 15 und 20 Prozent der Bausumme als Eigenleistung einbringen.

Für die Berechnung der Eigenleistung ist es wichtig, eurer Bank eine realistische Einschätzung der veranschlagten Kosten zu geben. Zu hohe Stundenlöhne oder Zeitangaben führen dazu, dass die Bank die Eigenleistung möglicherweise nicht als Eigenkapital anerkennt.

Aber auch für euch selbst ist es wichtig, bei den veranschlagten Kosten realistische Richtwerte nennen zu können. Nur so ist es euch möglich, verlässlich zu planen. Der VPB hat ausgerechnet, mit welchen Zeitaufwänden und Kostenersparnissen ihr bei einem 140 Quadratmeter großen Haus ungefähr rechnen könnt:

Quelle: Richtwerte für Einsparungen durch Eigenleistungen am Beispiel eines 140-Quadratmeter großen Hauses, Verband Privater Bauherren e.V. (VPB) (Stand: 2017)
ArbeitenZeitlicher AufwandKostenersparnis gegenüber Fachbetrieben
Maler- und Tapezierarbeiten125 Stunden4.300 bis 5.000 Euro
Bodenbeläge90 Stundenbis zu 3.500 Euro
Fliesen verlegen50 Stunden1.800 bis 1.900 Euro
Dachausbau100 Stunden3.200 bis 4.000 Euro
Einbau Zimmertüren80 Stunden2.700 bis 3.200 Euro
Garten anlegen30 Stundencirca 1.000 Euro

Die Tabelle bildet nur Richtwerte ab, denn Handwerkerkosten können lokal schwanken. Am besten holt ihr euch bei Handwerksbetrieben vor Ort Kostenvoranschläge ein und vergleicht diese miteinander, um einen realistischen Durchschnittswert zu ermitteln.

Wie ihr eure Eigenleistungen berechnen könnt, zeigt euch diese Beispielrechnung:

  • Bausumme: 200.000 Euro
  • Eigenkapital: 50.000 Euro
  • Eigenleistungen: 9.300 Euro
    • Tapezieren + Malerarbeiten: 4.500 Euro
    • Fliesen verlegen: 1.800 Euro
    • Bodenbeläge: 3.000 Euro
  • Gesamtsumme Eigenkapital: 50.000 Euro + 9.300 Euro = 59.300 Euro
  • Kreditsumme: 140.700 Euro

Die Bausumme beträgt 200.000 Euro, euer verfügbares Eigenkapital 50.000 Euro. Übernehmt ihr auf der Baustelle alle Tapezier- und Malerarbeiten sowie das Verlegen der Fliesen und Bodenbeläge, ergibt das in der Summe eine Eigenleistung von etwa 9.300 Euro. Also könnt ihr insgesamt 59.300 Euro Eigenkapital einbringen. Die Kreditsumme beträgt somit "nur" noch 140.700 Euro.

Wird die Eigenleistung bei der Baufinanzierung ausgezahlt?

Die erbrachte Eigenleistung bekommt ihr von der Bank nicht bar ausgezahlt oder überwiesen. Sie wird bei der Baufinanzierung lediglich als fiktiver Wert in eurem Finanzierungskonzept berücksichtigt und wie oben beschrieben auf das Eigenkapital angerechnet.

Muskelhypothek nicht ohne Versicherungen für Bauhelfer und Bauherren

Neben euch als Bauherren dürfen auch Familie und Freunde beim Hausbau unterstützen, um die Eigenleistung zu stemmen. Sie zu engagieren ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie in einem Bereich fachmännische Expertise mitbringen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der beste Freund Fliesenleger ist oder der Onkel Malermeister.

Auf jeder Baustelle können aber auch Unfälle passieren. Für Bauherren und Bauhelfer gibt es deshalb wichtige Versicherungen, die ihr abschließen müsst:

  • Bauhelferversicherung: Alle Bauhelfer müssen bei der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) gemeldet und darüber gesetzlich versichert werden – unabhängig davon, ob ihr sie für ihre Arbeit bezahlt oder nicht. Als Bauherren müsst ihr die Bauhelfer bei der örtlichen BG Bau anmelden. Andernfalls droht euch ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro.
  • Bauherrenhaftpflichtversicherung: Jegliche Schäden auf der Baustelle, werden von der Bauherrenhaftpflichtversicherung abgedeckt. Schäden können zum Beispiel durch ein umgestürztes Gerüst entstehen, aber auch, wenn Passanten durch herumfliegende Dachziegel verletzt werden. Sie ist zwingend notwendig, da ihr ohne eine solch umfassende Absicherung im Schadensfall mit eurem gesamten Vermögen haften müsst.

Mehr zum Thema Bauherrenhaftpflicht- und Bauhelferversicherung und mit welchen Kosten ihr rechnen müsst, könnt ihr in unserem Ratgeber "Versicherungen beim Hausbau: Diese 3 Policen sollten Bauherren haben" nachlesen.

Fazit Muskelhypothek: Wann lohnt sie sich?

Mit einer Muskelhypothek könnt ihr eure Baukosten um bis zu 15 Prozent reduzieren, indem ihr fehlendes Eigenkapital für die Baufinanzierung durch Eigenleistungen fiktiv aufstockt.

Die Muskelhypothek birgt aber auch Risiken, derer ihr euch bewusst sein solltet. Wer beim Hausbau Eigenleistungen einbringen will, sollte viel Zeit mitbringen und über ein gewisses Maß an handwerklichem Geschick verfügen. Sonst sind Baumängel, Bauverzögerungen und Zusatzkosten programmiert. Dazu gibt es keine Gewährleistungspflicht, wenn später Baumängel auftreten. Reparaturkosten müsst ihr dann selber tragen.

Habt ihr Freunde oder Familienmitglieder, die sogar in Handwerksberufen arbeiten, kann es durchaus sinnvoll sein, sie als Bauhelfer zu engagieren. Macht euch am besten eine Liste, welche Eigenleistungen ihr erbringen wollt und wägt genau ab, ob es sinnvoll ist, die Aufgabe selber zu übernehmen. Vielleicht kommt ihr am Ende doch günstiger weg, wenn ihr die Aufgabe einem Fachbetrieb überlasst.

Quellen: Pressemitteilung Verband Privater Bauherren e. V.

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