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Bauen | Ratgeber

Abstandsflächen – Abstand zum Nachbargrundstück richtig berechnen


Kaum ein Bauherr würde auf die Idee kommen, sein neues Haus bis an die Grenze zum Nachbarn zu bauen. Dennoch verlässt sich das deutsche Baurecht nicht auf euer Gefühl, sondern hat konkrete Regeln zu Abstandsflächen erlassen. Wir erklären, wie groß der Abstand sein muss und wie ihr ihn ganz einfach errechnet.

  1. Was ist eine Abstandsfläche?
  2. Warum ist eine Abstandsfläche für alle sinnvoll?
  3. Welche Regeln gibt es zur Ermittlung der Abstandsfläche?
  4. Wie berechnet ihr die Abstandsfläche?
  5. Wo liegen die Abstandsflächen?
  6. Werden Balkone und Wärmedämmung mitgerechnet?
  7. Darf ein Gartenhaus auf einer Abstandsfläche stehen?
  8. Bauordnung oder Bebauungsplan: Wer regelt die Abstandsfläche?

Um Baugesetze besser nachvollziehen zu können, hilft es manchmal, sich vorzustellen, es gäbe sie nicht. Ohne Abstandsflächen wären die Häuser zwar größer, aber es gäbe weniger Grün auf unseren Grundstücken und euer Nachbar würde von seinem Wohn- direkt in euer Schlafzimmer schauen können oder umgekehrt.

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Was ist eine Abstandsfläche?

Im Baurecht beschreibt eine Abstandsfläche (auch Bauwich oder Mindestabstandsfläche genannt), die Fläche, die ein Gebäude mindestens zu einem Nachbargebäude, bzw. zur Grundstücksgrenze einhalten muss. Auf dieser Fläche darf kein anderes Gebäude errichtet werden, das auch zu Wohnzwecken genutzt wird. Daher gelten auch Ausnahmen für Gartenhäuser und Carports und Ähnlichem.

Es gibt aber auch Gebäude, in denen zwar niemand wohnt, die aber einen ähnlichen Effekt auf das Nachbargrundstück haben wie ein Wohngebäude. Daher gelten die Abstandsflächen auch für Mauern, Wälle, Hochbassins, höherliegende Terrassen, Windräder und Ähnlichem. In den Bauordnungen der Bundesländer beträgt der Mindestabstand in der Regel drei Meter zur Grundstücksgrenze.

Warum ist eine Abstandsfläche für alle sinnvoll?

Abstandsflächen sichern einen gewissen unbebauten Raum zwischen zwei Gebäuden. Aber warum ist das so wichtig?

  1. Brandschutz: Abstandsflächen sind Brandschutz. Brennt ein Haus, kann es durch Funkenflug und starke Hitze auch das Nachbargebäude entzünden. Je weiter dies entfernt steht, desto sicherer ist es. Häuser mit einer sogenannten weichen Bedachung (z.B. Reet) müssen daher größeren Abstand zu anderen Gebäuden halten als solche mit einer harten Eindeckung
    (z.B. Dachpfannen).
  2. Nachbarschutz: Der Mindestabstand schützt eure Nachbarn und euch. Und zwar vor zu viel Nähe. Somit sorgt er für sozialen Frieden und gute Nachbarschaft, indem er jedem ausreichend Platz lässt. Daher wird häufig auch von einem notwendigen Sozialabstand gesprochen, wenn es um Abstandsflächen geht.
  3. Wohnqualität: Unbebaute Flächen sorgen für ausreichend Licht und Luft. Stehen Wohngebäude zu dicht nebeneinander, werfen sie Schatten und behindern außerdem eine ausreichende Belüftung.

Ist man bei der Planung des Traumhauses selbst vom Thema Abstandsflächen betroffen, ist die Reaktion meistens negativ. Ihr ärgert euch vielleicht, dass ihr die gewünschte Grundfläche nicht verwirklichen könnt oder sogar die Form des Daches Einfluss auf die Abstandsflächenberechnung hat.

Ihr könnt es aber auch andersherum sehen. Das Baurecht schützt nicht nur eure Nachbarn, sondern verhindert auch, dass andere euch zu sehr auf die Pelle rücken. Schließlich kann das alte Nachbarhaus nebenan in einigen Jahren abgerissen und ein neues gebaut werden. Dann sorgen die Abstandsflächen des geplanten Neubaus dafür, dass ihr auch in 20 oder 30 Jahren noch genug Licht und Luft habt. Alles eine Frage der Perspektive.

Welche Regeln gibt es zur Ermittlung der Abstandsfläche?

Wenn ihr wissen wollt, welche Abstandsflächen für euer Haus gelten, müsst ihr zunächst einen Blick in die Bauordnung eures Bundeslandes werfen. In der Regel orientieren sich die Länderbauordnungen jedoch überwiegend an der Baumusterordnung, die von der Bauministerkonferenz im November 2002 zuletzt angepasst wurde.

Danach ist der Abstand abhängig von der Höhe des Gebäudes. In Wohngebieten ist der Faktor zur Berechnung 0,4, in Gewerbegebieten 0,2. Ein sieben Meter hohes Haus in einem Wohngebiet müsste demnach 2,80 Meter Abstand zur Grundstücksgrenze einhalten. Da aber in der Regel ohnehin ein Mindestabstand von drei Metern gilt, hat die konkrete Berechnung hier keinen Effekt.

Die Abstandsflächen orientieren sich außerdem an der gesamten Breite der Fassade. Nicht mit eingerechnet werden kleinere Vorsprünge, wie Erker oder Balkone.

Wie berechnet ihr die Abstandsfläche?

Grundlage für die Berechnung der Abstandsfläche (TA) ist die Höhe eures Hauses. Die Vollgeschosse zählen dabei komplett, das Dach nur zu einem Drittel (ab 70 Grad Neigungswinkel vollständig).

Gebräuchliche Abkürzungen:

H = Höhe der Außenwände
F = Faktor zur Errechnung der Abstandsfläche (siehe Bauordnung eures Bundeslandes)
HD = Höhe des Dachs
FD = Faktor für die anteilige Anrechnung der Dachhöhe (häufig 1/3)
TA = Tiefe der Abstandsfläche

Formel für eure Abstandsflächenberechnung

F * (H + FD * HD) = TA

Infografik Abstandsfllächenberechnung

Beispielrechnung:

Ihr plant ein Haus mit einer Höhe von zehn Metern. Das Dach hat eine Höhe von drei Metern. Die Höhe der Außenfassade liegt also bei sieben Metern. In eurem Bundesland gilt für die Berechnung des Abstands zur Grundstücksgrenze der Faktor 0,4.

0,4 * (7 + 1/3 * 3) = 3,2 Meter

Ihr müsst also 3,2 Meter Abstand zu eurer Grundstücksgrenze einhalten, da ihr über dem Mindestabstand von drei Metern liegt. Haben die Seiten eures Hauses unterschiedliche Höhen, werden die Abstandsflächen für jede Seite gesondert berechnet.

Aber wie gesagt, nicht alle Bundesländer rechnen gleich. Auf dem bayrischen Land gilt der Faktor 1,0. Hier müsste dasselbe Haus acht Meter Abstand einhalten.

Wo liegen die Abstandsflächen?

Die Abstandsflächen müssen auf dem eigenen Grundstück liegen. Sie werden also nicht von Gebäude zu Gebäude gemessen. Gibt es ein Platzproblem, darf die Abstandsfläche auch auf das Nachbargrundstück reichen. Dem muss euer Nachbar aber natürlich zustimmen. Dies sollte er jedoch nur tun, wenn er sich sicher ist, dass er die Fläche künftig nicht selbst bebauen will, sie als Abstandsfläche braucht oder sie seine aktuelle Abstandsfläche überschneidet.

Erklärt sich euer Nachbar einverstanden, muss die anteilige Lage der Abstandsfläche auf einem fremden Grundstück ins Baulastenverzeichnis der Kommune eingetragen werden. Die Erklärung dazu muss der betroffene Grundstückseigentümer – also euer Nachbar – gegenüber der Baubehörde abgeben. Damit ist aber nur die öffentlich-rechtliche Forderung abgesichert. Um eure privaten Rechte zu sichern, solltet ihr diese sogenannte „Grunddienstbarkeit“ auch im Grundbuch eintragen lassen. Diesbezügliche Ansprüche könnt ihr im Streitfall dann auch zivilrechtlich durchsetzen.

Oft spielen bei derartigen Vereinbarungen auch finanzielle Anreize eine Rolle. So könntet ihr mit eurem Nachbarn eine einmalige Ausgleichszahlung oder eine Rentenzahlung vereinbaren.

Weitere Ausnahmen von der Regel, dass die Abstandsflächen auf eurem Grundstück liegen müssen, gibt es, wenn euer Flurstück an öffentliche Plätze, Straßen oder Grünflächen grenzt. Denn dann darf sich die errechnete Abstandsfläche eures Gebäudes bis in die Mitte dieser Fläche erstrecken. Wenn ihr noch auf Grundstückssuche seid, ist das ein wichtiger Faktor. Auf kleinen Grundstücken, auf denen es bei der Grundrissplanung um jeden Zentimeter geht, gewinnt ihr so an Fläche.

Werden Balkone und Wärmedämmung mitgerechnet?

Je nach Baustil haben Gebäude eine senkrechte Fassade oder eine mit unterschiedlichen Vor- und Rücksprüngen. Um die Berechnung der Abstandsflächen nicht zu umständlich zu machen, werden kleinere Erker und Balkone in den meisten Bauordnungen einfach nicht mit berechnet. Sie zählen in der Regel erst, wenn sie mehr als 1,5 Meter aus dem Haus herausragen oder mehr als ein Drittel der Fassade einnehmen.

Auch in Sachen Wärmedämmung kommt die Gesetzgebung Hausbesitzern in den meisten Ländern entgegen. Damit Abstandsflächen nach einer nachträglichen Dämmung der Außenwand nicht zu gering ausfallen, werden sie bis zu einer Stärke von 25 Zentimetern nicht berücksichtigt. Bei Neubauten sind Dämmung und Solaranlagen jedoch Teil der abstandsrelevanten Außenhülle des Gebäudes.

Darf ein Gartenhaus auf einer Abstandsfläche stehen?

Grundsätzlich gilt: Auf Abstandsflächen darf nicht gebaut werden. Es gibt jedoch Ausnahmen. Kleinere Gartenhäuser, Garagen, Carports, Spielgeräte und Schwimmbecken dürfen auch auf Abstandsflächen errichtet werden. Erkundigt euch in der Bauordnung eures Bundeslandes, wie die Maximalmaße aussehen. In NRW dürfen Kleinstgebäude zum Beispiel höchstens drei mal neun Meter groß sein.

Bauordnung oder Bebauungsplan: Wer regelt die Abstandsfläche?

Abstandsflächen sind in der Bauordnung eures Bundeslandes geregelt. Existiert für euer Baugebiet aber ein Bebauungsplan, ist dieser ausschlaggebend. Die Festsetzungen im Bebauungsplan schlagen also die Bauordnung. Erlaubt der Bebauungsplan zum Beispiel im städtischen Bereich eine Grenzbebauung, um ein geschlossene Baulinie zu erzeugen, sind die eigentlich geltenden Abstandsregelungen hinfällig.

Besonders knifflig sind kleine und schmale Grundstücke. Wie ihr die am besten nutzt, erfahrt ihr in unserem Artikel: "Kleines Grundstück optimal genutzt: Großzügiger Neubau auf wenig Fläche".

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