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Zwangsversteigerung – Schnäppchen oder Falle?


Ist angesichts hoher Immobilienpreise ein Haus aus einer Zwangsversteigerung eine Möglichkeit, günstig zum Eigenheim zu kommen? Wir erklären euch, wie eine Zwangsversteigerung abläuft, welche Chancen und welche Risiken sie bietet und was ihr beachten müsst.

  1. Zwangsversteigerung von Immobilien: Was ist das?
  2. Wie erfahre ich von Zwangsversteigerungen?
  3. Der größte Fehler auf einer Zwangsversteigerung: Die Katze im Sack kaufen
  4. Checkliste: Diese Informationen solltet ihr vor der Zwangsversteigerung einholen
  5. So läuft eine Zwangsversteigerung ab
  6. Das kostet euch der Immobilienkauf per Zwangsversteigerung
  7. Lohnt sich der Immobilienkauf auf einer Zwangsversteigerung?

Es gibt viele Wege zur eigenen Immobilie. Eine der exotischeren Möglichkeiten ist, ein Haus oder eine Wohnung bei einer Zwangsversteigerung zu erwerben. Für 14.853 Immobilien wurde 2020 ein Zwangsversteigerungs-Verfahren eröffnet, hat der Fachverlag Argetra recherchiert.

Zwangsversteigert wurden vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser, gefolgt von Eigentumswohnungen und Grundstücken. Wir klären, wie eine Zwangsversteigerung abläuft und ob ihr dort wirklich eine Immobilie zum Schnäppchenpreis ergattern könnt.

Zwangsversteigerung von Immobilien: Was ist das?

Wenn es um Versteigerungen geht, denken die meisten wohl an eBay. Doch eine Zwangsversteigerung ist etwas anderes als eine übliche eBay-Auktion – und das hat mit dem Wörtchen Zwang zu tun.

Wenn ihr euch durch eine Baufinanzierung bei einer Bank verschuldet, dann hat diese einen Anspruch darauf, dass ihr die Schulden auch zurückzahlt. Sie ist damit euer Gläubiger. Wenn ihr die Schulden nicht mehr zurückzahlen könnt, dann kann eure Bank die Immobilie zur Auktion freigeben und damit eure Schulden durch den Erlös tilgen. Etwa 15 von 100.000 Haushalten waren den Zahlen von Argetra zufolge im ersten Halbjahr 2021 von Zwangsversteigerungen betroffen.

Immer öfter werden Immobilien aber auch zwecks Aufhebung einer Gemeinschaft zwangsversteigert. Das ist dann der Fall, wenn sich geschiedene Eheleute oder Erben nicht einigen können, was sie mit einer Immobilie machen wollen. Das nennt man dann Teilungsversteigerung. Gemessen an den Verkehrswerten machen sie laut Argetra schon einen Anteil von 42 Prozent aus.

Allerdings endet nur etwa die Hälfte aller eröffneten Zwangsversteigerungsverfahren vor Gericht. Die anderen Immobilien werden schon vorher verkauft.

Wie erfahre ich von Zwangsversteigerungen?

Zwangsversteigerungen finden an den Amtsgerichten statt. Der Versteigerungstermin wird spätestens sechs Wochen im Voraus bekannt gegeben. Er wird im Amtsblatt veröffentlicht oder durch Aushänge im Gericht und Bekanntmachungen in Zeitungen. Es gibt auch diverse Internet-Portale, kostenlos und kostenpflichtig, die die Versteigerungstermine veröffentlichen. Zum Beispiel:

Der größte Fehler auf einer Zwangsversteigerung: Die Katze im Sack kaufen

Es ist verlockend, eine Immobilie zum Schnäppchenpreis zu ersteigern. Trotzdem raten wir euch dringend davon ab, postwendend zur nächsten Zwangsversteigerung zu gehen und auf ein Haus oder eine Wohnung zu bieten.

Der größte Fehler beim Immobilienkauf auf einer Zwangsversteigerung ist nämlich, nicht genügend Informationen zur Immobilie gesammelt zu haben. Dann kann sich das vermeintliche Schnäppchen schnell als Kostenfalle entpuppen.

Denn: Wenn ihr eine Immobilie in einer Zwangsversteigerung erwerbt, dann übernimmt keiner die Haftung für etwaige Mängel und ihr habt als Käufer keinerlei Gewährleistungen. Ihr könnt auch nicht mehr vom Kauf zurücktreten.

Ihr seid dafür verantwortlich, euch zu informieren. Auch über im Grundbuch eingetragene Belastungen und Baumängel – so ein Urteil vom Bundesgerichtshof. Viele informieren sich aber nur über das Verkehrswertgutachten. Doch das ist ein Fehler. Dieses allein gibt keine zuverlässige Auskunft über den tatsächlichen Zustand der Immobilie und ebenso wenig über ihren Wert.

Oft fehlen darin nämlich wichtige Informationen, weil Gutachter die Immobilie oft nicht von innen besichtigen können. Die vorgelegten Verkehrswertgutachten sind auch nicht immer aktuell. Bis ein Haus unter den Hammer kommt, können bis zu zwei Jahre vergehen.

Checkliste: Diese Informationen solltet ihr vor der Zwangsversteigerung einholen

Damit ihr nichts überseht, solltet ihr auf folgenden Wegen Informationen einholen, bevor ihr bei einer Zwangsversteigerung auf ein Objekt bietet.

  1. Immobilie besichtigen: Schaut euch die zu versteigernde Immobilie persönlich an, möglichst auch von innen und idealerweise in Begleitung eines Baufachmannes. Eine Innenbesichtigung der Immobilie ist allerdings nicht immer möglich. Die Bewohner, die ihr Zuhause gezwungenermaßen aufgeben müssen, sind nicht verpflichtet und auch oft nicht bereit dazu, Kaufinteressenten hereinzulassen. Ein Bausachverständiger kann aber auch von außen einiges zum Zustand der Immobilie erkennen.
  2. Nachbarn befragen: Sprecht mit direkten Nachbarn und Anwohnern. Diese wissen vielleicht etwas zum Zustand der Immobilie oder auch zu Baulasten. Sie können euch auch sagen, ob es in der Gegend öfter zu Überschwemmungen kommt und ob größere Bauvorhaben geplant sind.
  3. Bauaufsichtsamt kontaktieren: Dort könnt ihr etwas über die Erschließungskosten oder Baulasten, die auf dem Grundstück liegen, erfahren.
  4. Grundbuchauszug einsehen: Besonders wichtig ist der Blick in den Grundbuchauszug. Er ist oft in der Versteigerungsakte beim zuständigen Gericht enthalten. Aus ihm geht hervor, ob die Nutzung der Immobilie uneingeschränkt möglich ist oder ob ihr andere Lasten wie beispielsweise ein lebenslanges Wohnrecht übernehmen müsst.
  5. Verkehrswert-Gutachten studieren: Lest das Verkehrswert-Gutachten und achtet dabei unbedingt darauf, ob der Gutachter die Immobilie auch von innen besichtigen konnte. Schaut euch auch an, wie aktuell das Gutachten ist. Ihr könnt den dort festgestellten Verkehrswert auch mit einer kostenlosen Online-Immobilienbewertung abgleichen.

So läuft eine Zwangsversteigerung ab

Um sich mit dem Prozedere einer Zwangsversteigerung vertraut zu machen, ist es ratsam, mehrere solcher Versteigerungen zu besuchen, bevor man auf seine Traumimmobilie bietet. Generell besteht der Ablauf aus drei Teilen:

Eröffnung

Zu Beginn verliest der Rechtspfleger alle Informationen zur Immobilie vor. Er nennt den festgesetzten Verkehrswert, eventuelle Belastungen laut Grundbuch, benennt die Gläubiger und ihre Ansprüche und erläutert die Versteigerungsbedingungen.

Anschließend wird das geringste Gebot festgelegt. Das ist das Mindestgebot, welches nicht unterschritten werden darf. Es setzt sich zusammen aus Barwert (den Kosten des Verfahrens) und bleibenden Rechten (Grundsteuern, die noch gezahlt werden müssen sowie allen Rechten und Belastungen, die ihr im Falle eines Erwerbs übernehmen müsst). Zu diesem Preis wechselt jedoch kaum eine Immobilie den Eigentümer, denn der Rechtspfleger darf die Immobilie nicht zum Schleuderpreis versteigern.

Bieter-Stunde

Es folgt die Bieter-Stunde. Das ist die eigentliche Versteigerung. Wer auf die Immobilie bieten will, muss volljährig sein und einen gültigen Personalausweis besitzen. Außerdem müssen zehn Prozent des Verkehrswertes in Form eines Schecks oder einer Bankbürgschaft als Sicherheit hinterlegt werden. Bieter können mindestens 30 Minuten lang Gebote abgeben. Ist das letzte Gebote ergangen, wird die Auktion geschlossen.

Verhandlung über den Zuschlag

Jetzt wird über den Zuschlag verhandelt. Dabei gibt es die 5/10-Grenze. Diese besagt, dass das höchste abgegebene Gebot einschließlich der zu übernehmenden Rechte in der Bieterstunde mindestens 50 Prozent des Verkehrswerts erreichen muss. Ist dies nicht der Fall, wird der Zuschlag nicht erteilt. Darüber greift die 7/10-Grenze. Das heißt, jeder Gläubiger hat das Recht, einen Antrag auf Verweigerung des Zuschlags zu stellen, wenn das höchste Gebot niedriger als 70 Prozent des Immobilienwerts beträgt.

Wird der Zuschlag auf Basis dieser beiden Grenzen verweigert, dann wird eine zweite Versteigerung angesetzt. Da gibt es dann keine Grenzen mehr, die erreicht werden müssen.

Wird der Zuschlag erteilt, ist der Höchstbietende sofort Eigentümer der Immobilie – mit allen Rechten und Pflichten. Der Zuschlag ist zugleich auch der Räumungstitel gegen den Schuldner, sofern dieser die Immobilie selbst bewohnt. Ist die ersteigerte Immobilie dagegen vermietet, bleibt das Mietverhältnis bestehen. Ihr könnt es nur durch eine Eigenbedarfskündigung beenden.

Das kostet euch der Immobilienkauf per Zwangsversteigerung

Wenn ihr den Zuschlag bekommt, dann kostet euch die Immobilie euer Höchstgebot plus den Barwert. Bei einem Zuschlag zu 300.000 Euro und einem Barwert von 50.000 Euro müsst ihr also 350.000 Euro zahlen.

Der Vorteil eines Hauskaufes über eine Zwangsversteigerung ist, dass keine Makler- und Notarkosten anfallen. Allerdings wird für den Zuschlag eine Gerichtsgebühr fällig. Diese richtet sich danach, wie hoch das Höchstgebot ist. Sie ist etwas niedriger als die bei einem normalen Kauf fällige Notargebühr von etwa einem Prozent des Kaufpreises.

Dazu kommt, dass ihr als Ersteigerer bis zum Verteilungstermin vier Prozent Zinsen zahlen müsst, falls ihr nicht gleich die volle Kaufsumme an die Gerichtskasse überweist.

Die Eintragungen ins Grundbuch und die Grunderwerbsteuer zwischen 3,5 und 6,5 Prozent müsst ihr wie bei jedem anderen Immobilienkauf bezahlen.

Lohnt sich der Immobilienkauf auf einer Zwangsversteigerung?

Interessant an Zwangsversteigerungen ist zweifelsohne der niedrige Kaufpreis, für den Immobilien zu ersteigern sind. Er liegt meist deutlich unter dem geschätzten Verkehrswert. Im Einzelfall zahlt ihr lediglich 30 Prozent des eigentlichen Verkehrswertes. 

Außerdem entfallen beim Kauf durch eine Auktion die Kosten für das Gutachten eines Sachverständigen. Dieses wird ja bereits vor der Versteigerung vom Amtsgericht beauftragt und ihr könnt es als Informationsquelle nutzen.

Die vergleichsweise geringen Kaufnebenkosten und der Traum vom Schnäppchen haben den Markt verändert. Die Nachfrage nach zwangsversteigerten Immobilien ist gestiegen, ebenso die Preise. Deshalb kam es zu einer Professionalisierung. Die Folge: die Transparenz, wo welche Immobilien zwangsversteigert werden, ist so groß wie nie.

Damit aber sinkt unterm Strich die Chance auf das große Schnäppchen. Und gleichzeitig steigt auch die Chance, dass ihr einem schlechten Angebot aufsitzt.

Gerade in Ballungszentren sind bei Zwangsversteigerungen eigentlich keine Schnäppchen zu erwarten. Was dort unter den Hammer kommt, gilt als schwierig, weil beispielsweise erhebliche Baumängel vorhanden sind oder ein großer Modernisierungsstau herrscht. Was halbwegs attraktiv ist, findet oft schon vor der Zwangsversteigerung einen Käufer. Wer hier auf die Suche nach Zwangsversteigerungen geht, sollte besonders aufpassen.

Heute muss man als Bieter mehre Zeit und Geld investieren, um bei einer Zwangsversteigerung einen guten Kauf zu tätigen. Der Weg zum Schnäppchen ist beschwerlicher geworden. In jedem Fall solltet ihr die Finanzierung vor der Auktion klären und einen ausreichend hohen finanziellen Puffer einplanen.

Die Zwangsversteigerung ist nur eine Möglichkeit, an ein günstiges Haus zu kommen. Hier sind 10 Tipps, wie ihr echte Schnäppchenhäuser findet.

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