Vater, Mutter und zwei Kinder im Tiny House: Wie das geht und welche Herausforderungen es beim Leben auf 38 Quadratmetern gibt, erzählen Hanna und Michael Gretz in unserer Serie "Tiny Wohnglück".
Mit zwei Kindern im Tiny House? Das können sich viele nicht vorstellen. Hanna und der Michael Gretz praktizieren im Allgäu genau diese Lebensweise mit ihren zwei Kindern Elias und Sofia.
Allerdings wohnen sie nicht in einem Tiny House, sondern genau genommen in zwei Tiny Houses, die L-förmig aneinander stehen. "Ein Tiny House, das wäre uns zu extrem zu viert", sagt Hanna, die in Teilzeit als Lernbegleiterin an einer Freien Schule arbeitet und sich mit einem Begegnungsraum für Tanz, Berührung und Kreativität selbstständig gemacht hat.
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Vier Personen auf 38 Quadratmetern
Seit Mai 2020 hat Familie Gretz in den beiden Tiny Houses, die zusammen 38 Quadratmeter Wohnfläche bieten und auf einem gepachteten Baugrundstück in einem Dorf bei Leutkirch stehen, ihren Hauptwohnsitz. Zuvor lebten sie in einer 114 Quadratmeter großen Wohnung.
Nach der Geburt von Tochter Sofia nahm Michael ein Jahr Elternzeit, und die Familie ging zweieinhalb Monate mit dem Wohnwagen auf Reisen. Dabei merkte sie, wie wenig man eigentlich braucht. Sie begannen, sich verschiedene Tiny Houses anzusehen, fanden aber nicht genau das, was sie suchten. Deshalb fingen sie an, selbst ihr Tiny House zu planen und haben es dann auch weitgehend selbst gebaut.
Grundstücksangebot durch Zeitungsbericht
"Wir sind handwerklich geschickt, und Michael hat als Holztechniker die nötige fachliche Kompetenz von der Planung bis zum Innenausbau", erzählt Hanna. Bei den Außenhüllen hat ihnen der Zimmerer Raphael von Kralik von Compact Homes geholfen. Zudem hatten sie noch Unterstützung von Michaels Papa und von Freunden. Mehr zum Bau des Tiny Houses könnt ihr auf dem Blog der Familie nachlesen.
An das Grundstück kamen sie durch einen Zeitungsartikel, in dem die junge Familie vorgestellt wurde. "Wir haben einfach die Zeitung angeschrieben und erzählt, dass wir eine vierköpfige Familie sind und uns ein Tiny House bauen und ob sie nicht darüber berichten wollen", erzählt Michael, der ebenfalls in Teilzeit als Holztechniker arbeitet. So hätten die Leute die Familie ein bisschen kennengelernt. Der Besitzer eines Grundstücks fand sie sympathisch und hat ihnen sein Grundstück zur Pacht angeboten.
Zwei Tiny Houses auf Lkw-Wechselbrücken
Das Tiny House der Familie besteht aus zwei auf Lkw-Wechselbrücken gebauten Häusern. Sie können beide jeweils mit einem Lkw transportiert werden. Der eine Teil hat eine Größe von acht mal drei Metern und ein aufgesetztes Satteldach, das sich bei einem Umzug extra in vier Modulen auf normalen Pkw-Anhängern transportieren lässt. Der andere Hausteil hat eine Größe von 7,5 mal 2,8 Metern und ein Flachdach.
Die Häuser sind aus Dreischicht-Holzplatten, massiv gebaut mit Holzfaserdämmung und Holzverschalung. Die Innenwände wurden teilweise mit Lehmputz verputzt, und alle Möbel haben Hanna und Michael individuell aus Holz gebaut und gestaltet.
Gekostet hat das Mini-Eigenheim etwa 90.000 Euro. Darin inbegriffen sind Arbeitsstunden für den Zimmerer, hochwertiges Material wie Vollholz und viel Autarkie-Technik für Strom- und Warmwasserversorgung.
Biogas- und Photovoltaikanlage
Hanna und Michael ist es wichtig, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Deshalb haben sie ihr Haus so geplant, dass sie möglichst wenig Energie und Wasser verbrauchen und weitgehend autark sind.
Geheizt wird mit Holz und einem Grundspeicher-Ofen. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage, dazu kommen mobile Solarzellen, die die Familie im Winter zusätzlich auf ihrem Grundstück aufstellt und je nach Sonnenstand optimal ausrichtet. Einen Anschluss an das öffentliche Stromnetz haben sie nicht. Auf einem Technikschuppen steht außerdem eine Solarthermieanlage für warmes Wasser.
Um Wasser und Energie zu sparen, haben Hanna und Michael einen Shower-Loop in ihr Badezimmer eingebaut. Dieser nutzt die Wärme besser, weil beim Duschen das Wasser nicht einfach im Abfluss verschwindet, sondern durch Filter wieder hochgepumpt wird und so mehrmals zur Verfügung steht.
Man duscht also immer wieder mit dem gleichen, gefilterten Wasser. Da dieses noch Restwärme besitzt, muss es der Durchlauferhitzer nur noch wenig erwärmen, und die Familie benötigt nur ein Zehntel der Energie eines normalen Duschvorgangs.
Außerdem gibt es eine Vakuumtoilette mit geplanter Verbindung zur Home-Biogas Anlage, die dieses Jahr in Betrieb genommen wird. Die Fäkalien werden dabei in die Biogas-Anlage eingespeist und in Gas verwandelt, mit dem die Familie dann kochen kann.
Es geht nicht ohne zusätzliche Rückzugsräume
Auch wenn Familie Gretz zwei aneinandergestellte Tiny Houses hat, ist der Platz für vier Personen doch recht knapp bemessen. Die Familie schläft in einem Zimmer, die Eltern unten, die Kinder auf einer Hochebene, die sich fast komplett verschließen lässt.
Im Wohnzimmer mit dem Grundspeicherofen können auf einer umbaubaren Couch Gäste schlafen und der Raum lässt sich vom Schlafzimmer mit einer Schiebetür, die zugleich Bücherregal ist, abtrennen. "Das ist abends eigentlich unser Bereich", sagt Hanna. Darüber, unter dem Satteldach, ist ein Spielbereich für die Kinder untergebracht, den die Kinder über eine Leiter erreichen.
Hanna hat noch einen kleinen, ebenfalls mit Schiebetür abteilbaren Bereich, in dem sie kreativ sein und nähen kann.
Im Moment passt das für die Familie, aber wenn die Kinder größer werden, planen Hanna und Michael, einen zusätzlichen Wagen aufzustellen. Und außerdem gibt es auf dem Grundstück noch eine 50 Quadratmeter große Jurte, die Hanna als Seminarraum nutzt.
Sie dient im Winter aber auch als Toberaum und Turnhalle für die Kinder und als Rückzugsraum für Hanna. "Nur mit dem Haus wäre das Leben im Tiny House mit Familie für mich auf Dauer nicht möglich", sagt die Mutter.
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5 Fragen an die Tiny House-Bewohner Hanna und Michael
1. Warum seid ihr in ein Tiny House gezogen?
Um Fixkosten zu reduzieren, um weniger arbeiten zu "müssen" und nur noch so viel und nur noch das zu arbeiten, was uns gut tut, was uns entspricht, wo wir dahinter stehen können. Wir wollten Zeit haben für das, was uns wichtig ist. Zum Beispiel Zeit mit unseren Kindern zu verbringen, zu gärtnern, uns sozial und umwelttechnisch zu engagieren.
Außerdem ging es uns darum, nachhaltig zu leben und unseren eigenen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Wir wollten auch das Lebensgefühl genießen, das diese Art des Lebens bietet, zum Beispiel nahe an der Natur, oft und sofort draußen zu sein, eine ursprüngliche Lebensweise. Es geht uns darum, einen bewussteren Umgang mit Ressourcen zu leben und unseren Kindern zu zeigen.
Wichtig war uns auch die Unabhängigkeit vom Miet- und Wohnungsmarkt und von Energiepreisen. Für ein Tiny House haben wir uns entschieden, um ein Eigenheim zu bauen, ohne dass wir uns dafür für viele, viele Jahre verschulden müssen.
Wir wollten auch flexibel bleiben, sollte sich der Lebensmittelpunkt verschieben oder sich eine Tiny House-Siedlung oder Gemeinschaft ergeben. Dann können wir mit unserem Haus dort hinziehen.
2. Welche Hürden musstet ihr nehmen, um in das Tiny ziehen zu können?
Wir mussten einen Bauplatz finden. Hier hatten wir das Glück, dass uns eine Privatperson ein Baugrundstück zur Pacht angeboten hat. Da wir viel selbst gebaut haben und keinen Architekten beschäftigten, mussten wir beim Bauantrag ein paar Sachen tricksen, damit wir überhaupt einen offiziellen Bauantrag einreichen konnten.
3. Was sind die größten Herausforderungen beim Leben in eurem Tiny House?
Das Leben ist grundsätzlich ganz einfach, es besteht aus Einatmen und Ausatmen. Warum sollte das in einem Tiny House schwieriger sein. Spaß beiseite. Die hauptsächlichen Schwierigkeiten betreffen die Zeit im Winter. Wo hängt man beispielsweise die Wäsche auf? Wir haben inzwischen einen selbstgebauten Wäscheständer, der hoch in das Satteldach gezogen werden kann, da dort der wärmste Ort ist und die Wäsche nicht stört.
Herausfordernd ist die Zeit, in der es viel regnet, schneit, windet. Wir haben uns ein kleines Vordach mit "Windfang" gebaut, damit man trockenen Fußes ins Haus kommt. Im Winter ist auch die Warmwasser-Situation eine Herausforderung.
Wir haben bis jetzt nur Solarthermie, um warmes Wasser zu bekommen. Im Winter reicht das nicht aus. Das heißt, es gibt Zeiten mit ausschließlich kaltem Wasser aus der Leitung. Unsere Lösung: Wir kochen Wasser im Topf zum Abspülen und duschen mit dem Shower Loop.
Herausfordernd ist auch, dass die Wände nicht schallgedämmt sind. Mit Kindern heißt das, es gibt keinen komplett ruhigen Rückzugsraum. Hier helfen Ohropax, raus in die Natur zu gehen oder in unserem Fall die Jurte als extra Rückzugsraum.
4. Was gefällt euch am besten daran, in einem Tiny House zu leben?
Uns gefällt, dass man von jeder Stelle im Haus nach draußen ins Grüne schauen kann und dass wir viel näher an der Natur leben. Wir hören beispielsweise den Regen auf dem Dach. Dass man mit einem Schritt draußen auf der Terrasse steht und ein unglaubliches Freiheitsgefühl hat.
Dass man keine unnötig weiten Wege im Haus zurücklegen muss und dass wir beim Putzen und Aufräumen schneller fertig sind und dass (fast) jedes Teil seinen festen Platz hat, sind weitere Pluspunkte.
Uns gefällt, dass wir uns selbst darum kümmern, unser Haus mit Holz zu heizen, um es warm zu haben. Der Umgang mit Strom und Wasser ist viel bewusster. Wir passen beispielsweise unsere Art zu kochen daran an, wie das Wetter ist. Bei Sonne nutzen wir Wasserkocher, Thermomix, Waffeleisen, bei schlechtem Wetter den Gasofen.
Und nicht zuletzt gefällt uns die gemütliche Atmosphäre mit viel Holz, Lehmputz, Steinmosaik und vielen kleinen Kunstwerken.
5. Was würdet ihr heute anders machen, wenn ihr euch nochmal ein Tiny House bauen würdet?
Wir würden eine wassergeführte Heizung einbauen, die Solarthermie ins Haus integrieren und beides miteinander verbinden.
Bei den Möbeln würden wir noch besser auf die Hinterlüftung achten, um Feuchtigkeitsniederschlag in den Ecken zu vermeiden.
Familie Gretz' Tipp für alle, die auch in einem Tiny House leben wollen:
Traut euch anzufangen! Plant sorgfältig, aber belasst es nicht nur bei der Planung! Wenn das Projekt einmal gestartet ist, werden sich Lösungen finden und alles wird gut!
Unser abschließender Tipp: Ihr wollt noch von anderen Tiny-House-Bewohnern lesen? Auf unserer Übersichtsseite findet ihr alle Teile unserer Serie "Tiny Wohnglück":