Ökostromanbieter versprechen saubere Energie für den Haushalt. Aber was bringt "grüner" Strom tatsächlich fürs Klima – und was kostet er? Lest hier, worauf ihr achten müsst, wenn ihr auf Ökostrom umsteigen wollt, damit die private Energiewende gelingt.
Immer mehr Menschen in Deutschland wollen auf Ökostrom umsteigen und damit einen Beitrag zur Energiewende leisten. Bereits 14,3 Millionen Haushalte in Deutschland haben im Jahr 2020 Ökostrom bezogen, ganze 1,6 Millionen mehr als noch im Jahr davor. Verbraucher, die ihre Stromversorgung ganz auf erneuerbaren Strom umstellen wollen, haben dabei die Wahl unter mehr als 8.000 Ökostromtarifen von etwa 1.000 Anbietern.
Doch trägt man mit dem Wechsel zu einem der Ökostromtarif-Anbieter wirklich etwas zur Energiewende bei? Wir klären diese Frage und erörtern, wie sinnvoll Ökostrom ist und ob sich der Wechsel lohnt.
Was ist Ökostrom?
Während konventioneller Strom aus fossilen Energien wie Kohle und Erdgas oder aus Atomkraft stammt, wird Ökostrom mit erneuerbaren Energien erzeugt. Das sind vor allem:
Der Anteil dieser erneuerbaren Energien an der gesamten Stromversorgung in Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen. Im Jahr 2022 betrug er bereits rund 48,3 Prozent der gesamten Strommenge (Quelle: Bundesnetzagentur). Darunter ist Windkraft, gemessen an der Bruttostromerzeugung, der wichtigste erneuerbare Energieträger.
Nach Angaben des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE) versteht man unter Ökostrom elektrische Energie, die zu mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien (EE) stammt und den Rest aus KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) bezieht.
Neben Ökostrom existieren auch Begriffe wie Grünstrom oder Naturstrom, sie werden oftmals synonym verwendet. Da keiner der drei Begriffe rechtlich geschützt ist, können sich dahinter auch verschiedene Arten von Strom oder Stromzusammensetzungen verstecken.
Tatsächlich ist der „saubere Strom“ oft nicht mehr als eine Illusion. 98 Prozent der Ökostromtarife sind laut Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale in NRW reine „Marketing-Tarife“.
Warum Ökostrom?
Eigentlich ist Ökostrom eine gute Sache. Handelt es sich um „echten“ Ökostrom, überwiegen die Vorteile gegenüber den Nachteilen. Denn Strom aus erneuerbaren Energien schont die Umwelt und verringert CO2-Emissionen.
Die Vor- und Nachteile von Ökostrom haben wir etwas weiter unten aufgelistet. Möchtet ihr jedoch wirklich etwas für die Umwelt tun, müsst ihr den richtigen Stromanbieter wählen. Damit der Ökostrom wirklich Vorteile für die Umwelt hat, muss er zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden. Und das ist bei vielen Anbietern nicht der Fall.
Auf der sicheren Seite seid ihr, wenn ihr euren Strom selbst produziert. Beispielsweise durch Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach. Damit liegt ihr voll im Trend, denn 25 Prozent der Hauseigentümer planen bereits die Montage einer solchen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach – mehr dazu hier.
Warum nicht jeder Ökostromtarif die Energiewende fördert
Die schwammigen Begriffsdefinitionen rund um den grünen Strom sorgen insbesondere bei den Endverbrauchern für Verwirrung. Um mehr Klarheit zu schaffen, gibt es Labels, Zertifikate, Gütesiegel und Herkunftsnachweise, die Grünstrom ausweisen.
Ein Anbieter von Ökostrom muss für den gesamten Strom, den er verkauft, Herkunftsnachweise kaufen. Ein Herkunftsnachweis macht für Verbraucher transparent, wo und vor allem wie der Strom erzeugt und ins Netz eingespeist wurde. Aus der Steckdose kommt dennoch, unabhängig vom gewählten Tarif, der Strom vom nächstgelegenen Stromkraftwerk.
Der Energieversorger darf den Strom nur dann als solchen aus erneuerbaren Energien (EE) kennzeichnen und auf der Stromrechnung als solchen ausweisen, wenn er für die gelieferte Menge auch entsprechend viele Herkunftsnachweise im Herkunftsnachweisregister entwertet hat.
Solche Herkunftsnachweise gibt es in Deutschland jedoch kaum. Denn hierzulande wird der Ausbau erneuerbarer Energien gesetzlich über die sogenannte EEG-Umlage gefördert. Grüner Strom, der mittels dieser EEG-Umlage gefördert wird, darf dann nicht gleichzeitig als Ökostrom verkauft werden. Er bekommt somit auch keinen Herkunftsnachweis, Anlagenbetreiber würden sonst für denselben Strom doppelt kassieren.
Viele deutsche Anbieter beziehen ihre Herkunftsnachweise deshalb häufig aus dem europäischen Ausland, zum Beispiel aus Norwegen, wo Strom bereits zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt (größtenteils aus Wasserkraft).
Durch die abgekauften Herkunftsnachweise entstehen so aber keine zusätzlichen EE-Anlagen und somit auch kein neuer Ökostrom. Somit trägt dieser Grünstrom auch nicht zur Vermeidung von CO2-Emission bei, da kein neuer grüner Strom erzeugt wurde.
Woran erkennt man echten Ökostrom?
Wer wirklich etwas zur Energiewende beitragen will, sollte Ökostrom von Anbietern beziehen, die den Strom nicht an der Börse kaufen und mit Herkunftsnachweisen "begrünen", sondern den Strom sowie die Nachweise vom selben Kraftwerk beziehen. Doch woran erkennt man, ob der Ökostrom auch wirklich grün ist?
Von den zahlreichen Siegeln, die Strom attestieren grün zu sein, halten Energieexperten und Verbraucherschützer nur zwei für wirklich empfehlenswert:
das ok-Power-Label vom gemeinnützigen Verein Energie-Vision e.V.
das Grüner-Strom-Label vom Verein "Grüner Strom", dem unter anderem die Umwelt- und Naturschutzverbände BUND und NABU angehören.
Über Vergleichsportale wie CHECK24 könnt ihr Stromanbieter eurer Region aufrufen lassen. Achtet bei dem Ökostrom-Vergleich und bei der späteren Wahl unbedingt auf die beiden oben genannten Labels.
Wer auf Ökostrom umsteigen will, möchte damit in erster Linie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Mit echtem Ökostrom ist das tatsächlich möglich. Wer die Ökostrom-Vorteile den Nachteilen gegenüberstellt, wird schnell erkennen: Die Vorteile überwiegen.
Das sind die Vorteile von Ökostrom im Überblick:
1. Ökostrom bringt bis zu 90 Prozent CO2-Einsparung
Während bei Strom aus fossilen Brennstoffen Durchschnitt 485 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (kWh) anfallen (Quelle: Umweltbundesamt), wird bei der Erzeugung von Ökostrom aus erneuerbaren Energien deutlich weniger CO2 ausgestoßen. Je nachdem, aus welcher Quelle der Ökostrom stammt, fällt der CO2-Ausstoß unterschiedlich hoch aus.
So viel CO2 pro kWh fällt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien an:
Wasserkraft: 2,6 Gramm CO2 je kWh
Windenergie auf See: 9,3 Gramm CO2 je kWh
Windenergie auf Land: 16,9 Gramm CO2 je kWh
Photovoltaik: 55,7 Gramm CO2 je kWh
Tiefengeothermie: 7,0 Gramm CO2 je kWh
Biomethan: 101,7 Gramm CO2 je kWh
2. Es werden weniger Ressourcen abgebaut
Da bei der Erzeugung von Ökostrom erneuerbare Energiequellen wie Wind-, Sonnen- und Wasserenergie herangezogen werden, werden kaum Ressourcen verschwendet. Die Energiequellen sind erneuerbar, das heißt, sie stehen uns unendlich zur Verfügung.
Bei fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdgas und Erdöl ist das nicht der Fall. Diese Energieträger müssen verbrannt werden, um die Energie freizusetzen. Bis diese fossilen Brennstoffe jedoch neu entstehen, müssen einige hundert Millionen Jahre vergehen.
3. Ökostrom trägt zur Reduzierung von Atommüll bei
Bei der Gewinnung von Energie in Atomkraftwerken entsteht radioaktiver Müll aus Uran und Plutonium. Dieser Müll muss sicher verwahrt werden – und es wird immer mehr. Die Endprodukte aus Atomkraftwerken bedrohen ganz massiv unsere Umwelt und unsere Gesundheit.
Mit dem Bezug von Ökostrom aus erneuerbaren Energien leistet jeder Mensch einen Beitrag zur Reduzierung von Atommüll.
Kleine Beträge summieren sich übers Jahr. Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft CO2Online hat ausgerechnet, wie viel CO2 Haushalte mit Ökostrom pro Jahr vermeiden können.
Bei einem Zwei-Personenhaushalt in einer Wohnung sind das beispielsweise mehr als 1.000 Kilogramm, bei drei Personen im Einfamilienhaus fast 2.000 Kilogramm (Quelle: co2online.de).
5. Mit einem Ökostromtarif fördert ihr die Energiewende
Zu den Kriterien von gutem Ökostrom (siehe Erläuterung oben) gehört, dass der Anbieter auch in neue Anlagen für erneuerbare Stromerzeugung investiert, zum Beispiel Solaranlagen oder Windparks. Das treibt den Umbau der Energiewirtschaft voran.
Ökostrom ist in der Regel kaum teurer und manchmal sogar günstiger als konventioneller Strom. Falls ihr beim bisherigen Stromversorger noch im Grundversorgungstarif seid, könnt ihr mit dem Wechsel zum Ökostrom-Anbieter Geld sparen.
Nachteile von Ökostrom: Warum nicht auf Ökostrom umsteigen?
Auch Strom aus erneuerbaren Energien hat Schattenseiten. Denn wie oben bereits ausführlich erläutert, ist leider nicht überall Ökostrom drin, wo Ökostrom draufsteht.
Das sind die Nachteile von Ökostrom im Überblick:
1. Etikettenschwindel mit Ökostrom
Anders als "Bio" bei Lebensmitteln ist "Öko" beim Strom keine geschützte Bezeichnung. So kann etwa auch ein Energieunternehmen, das selbst ausschließlich Kohlekraftwerke betreibt, von einem Windkraftproduzenten Herstellerzertifikate erwerben und damit Ökostrom verkaufen.
2. Auch die Ökostromproduktion kann der Umwelt schaden
Die Produktion von Ökostrom ist nicht immer umweltfreundlich. Ein Beispiel: Ein großer Teil des Ökostromangebots kommt aus Wasserkraftwerken, welche die Ökologie der Gewässer beeinträchtigen können. Oft werden sie schon seit Jahrzehnten betrieben und haben daher auch keine Ausbauwirkung für die erneuerbaren Energien.
Auch Windenergie hat Schattenseiten. Beim Bau der Anlagen werden Ressourcen verbraucht und Meerestiere wie zum Beispiel Schweinswale durch den Lärm nachhaltig gestört. Die Tiere können durch die beim Bau entstehenden Schallwellen taub werden und die Orientierung verlieren. Auch viele Vögel verenden bei Zusammenstößen mit den Windkrafträdern. Meiden sie Flächen mit Windkraftanlagen, verkleinert sich dagegen ihr Lebensraum.
3. Schwierige Orientierung für Verbraucher
Was ist echter Ökostrom und wann handelt es sich lediglich um ein "grüngewaschenes" Angebot? Um das herauszufinden, braucht man schon ein bisschen Einsatz und Zeit. Die oben gezeigten Labels helfen euch aber, seriöse Ökostrom-Anbieter schneller zu identifizieren.
4. Keine Super-Sparpreise
Im Wettbewerb mit durchschnittlichen konventionellen Tarifen kann Ökostrom preislich mithalten. Schnäppchen auf Discounter-Preisniveau sind bei seriösen Anbietern dagegen nicht zu erwarten.
Bei der Gegenüberstellung von Ökostrom Vorteilen und Nachteilen seht ihr: Die Vorteile sprechen klar für den Wechsel zu Ökostrom. Anders als bei Bio-Produkten ist Ökostrom nicht grundsätzlich teurer.
2022 war das leider nicht der Fall: Nach dem Monitoringbericht 2022 der Bundesnetzagentur kam es nicht nur zu starken Preissteigerungen für Strom aus allen Quellen, die Preise für Ökostrom lagen zeitweise sogar über dem Preisniveau der konventionellen Stromanbieter und des eigentlich vergleichsweise teuren Strom des Grundversorgers.
Im April 2022 sah das Preisverhältnis von Stromanbietern bei einem Jahresverbrauch von 2.500 bis 3.000 kWh etwa so aus:
Grundversorgung: 35,70 Cent pro kWh
Konventioneller Strommix: 36,06 Cent pro kWh
Ökostrom: 37,83 Cent pro kWh
Inzwischen gibt es jedoch wieder Ökostrom-Tarife, die günstiger sind als Strom des Grundversorgers und Strom konventioneller Anbieter.
Doch warum steigen Preise für Ökostrom in der Energiekrise, wenn der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird?
Die Antwort lautet: Die Strompreise werden von dem Preisniveau des gesamten Energiemarktes beeinflusst – nach der sogenannten Merit Order (Englisch: Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit). Preise für Ökostrom sind hier leider keine Ausnahme. Sie müssen sich an den teuersten Preisen am Markt orientieren.