Naturnahe Gärten liegen im Trend. Wir haben mit einem Experten über diesen Garten-Trend für 2021 geredet und erklären euch in diesem Artikel, was Nachhaltigkeit für den Gartenbau bedeutet.
Was ist eigentlich ein naturnaher Garten? Und kann ich diesen auch bei mir zu Hause anlegen? Welche Vor- und Nachteile hat so ein Garten? Und wie aufwändig ist die Pflege eines naturnahen Gartens eigentlich? Wir haben darüber mit dem Landschaftsgärtner und Diplom-Ingenieur für Landschaftspflege Gerald Jungjohann gesprochen. Seine Überschrift dabei lautet: Vielfalt ist Trumpf!
7 Fragen an Gerald Jungjohann zu naturnahen Gärten
Herr Jungjohann, was ist eigentlich ein naturnaher Garten?
Gerald Jungjohann: Früher hat man den Garten als Teil unserer Umwelt verstanden und ihn intensiv gestaltet – bis hin zur Unkultur der Schottergärten. Heute ist es so, dass wir uns mehr als Teil der Natur verstehen. Das ist ein Wechsel der Sichtweise und steigert natürlich die Wertschätzung der Natur immens. Aus der Erkenntnis heraus, dass die Natur zwar ohne uns kann, aber wir nicht ohne sie, handhaben wir viele Dinge mittlerweile anders als in der Vergangenheit. Ein naturnaher Garten ist ein Lebensraum für Flora und Fauna und nicht mehr nur eine reine "Gestaltungsfläche" für den Besitzer. Leider sieht es in vielen Gärten noch oft ähnlich aus: gemähter Rasen und viele immergrüne Pflanzen. Das ist für viele Tiere und Pflanzen kein geeigneter Lebensraum.
Was ist der Vorteil eines naturnahen Gartens?
Erst einmal hat man ein Naturerlebnis "für alle Sinne", das man in einem "Standard-Garten" sicher nicht geliefert bekommt. So ein naturnaher Garten ist frisch, lebendig, verändert sich mit den Jahreszeiten und bietet natürlich Lebensraum, Nahrungsquelle und Unterschlupf für viele Tiere. Man leistet also einen Beitrag zur Artenvielfalt und sogar zum Klimaschutz.
Zum Klimaschutz? Mit meinem Garten? Wie das?
Man muss sich vorstellen, dass im Sommer die Temperaturen über versiegelten Flächen wesentlich höher sind als über begrünten Flächen oder gar Wasserflächen. Und Wasserflächen wie Teiche oder sogar kleine Fließgewässer sind Gestaltungselemente im naturnahen Garten. Viele unversiegelte Flächen bedeuten also weniger Erwärmung. Und bei insgesamt 17 Millionen Gärten in Deutschland mit einer Gesamtfläche von etwa 6.800 Quadratkilometern kommt da schon was zusammen. Das macht viel aus, gerade im dicht besiedelten Deutschland.
Wie beginne ich mit der Gestaltung eines naturnahen Gartens?
Beim Start hilft eine ganzheitliche Betrachtung des eigenen Grundstückes: Welche Möglichkeiten bietet es, welche Lage zum Sonnenlicht hat es, welche Bodenverhältnisse herrschen vor, wie wollen meine Familie und ich es nutzen? Die Antworten geben die Richtung vor.
Dann lebt das Thema naturnahe Gartengestaltung am Ende immer von der Vielfalt: Pflanzenvielfalt, Biotopvielfalt, der Vielfalt an Materialien. Gerade die richtige Auswahl der Pflanzen lockt eine Vielfalt an Tieren, die den Garten besuchen oder sogar dauerhaft darin leben: Vögel, Insekten, Kriechtiere und vieles mehr. Damit leistet auch der Privatgarten einen wichtigen Beitrag zur heimischen Artenvielfalt.
Das hört sich ja doch recht komplex an. An wen kann ich mich wenden, wenn ich Beratung brauche und was kann ich überhaupt selber machen?
Grundsätzlich seid ihr bei den GaLaBau-Betrieben in der Region an der richtigen Adresse, also bei den Landschaftsgärtner/-innen. Da wird euch fachmännisch geholfen. Die Betriebe beraten und gestalten dann mit Know-how, Pflanz- und Pflanzenkompetenz und viel praktischer Erfahrung. Mit etwas handwerklichem Geschick kann man aber auch viel selber machen.
Ich rate dazu, die Grundausstattung vom Fachmann machen zu lassen, die Details und genaue Ausgestaltung kann man dann selber vornehmen. Aber auch da ist der Fachmann eine große Hilfe. Wir reden beim naturnahen Garten ja davon, dass die verwendeten Pflanzen Nahrungsquelle für die Insekten sein sollen. Diese sind dann wieder Nahrungsquelle für die Vögel und so geht es in der Nahrungskette weiter. Dazu braucht man dann natürlich ein breit aufgestelltes Pflanzenwissen, über das der erfahrene Landschaftsgärtner verfügt. Denn man muss ja auch wissen, welche regionale und lokale Flora und Fauna überhaupt für einen Naturgarten in Frage kommt.
Wann ist denn der richtige Zeitpunkt, meinen neuen Garten anzulegen?
Also, alles was Bodenmodellierung und auch die Befestigung von Flächen angeht, kann man bei Frostfreiheit auch im Winter anfangen. Für die Pflanzung oder Ansaat würde ich das Frühjahr bevorzugen. Dann startet man gleich ins neue Vegetationsjahr mit den Pflanzen. Das Prinzip sollte immer sein: Im Winter planen und im Frühjahr zeitig beginnen mit den Arbeiten. Dann bekommt man so ein Vorhaben auch kompakt abgearbeitet.
Wie hoch ist denn der Pflegeaufwand? Macht ein Rasen nicht viel weniger Arbeit als ein naturnaher Garten?
Der naturnahe Garten ist verglichen mit einer Rasenfläche oder sogar Schottergärten, sehr pflegeleicht. Bei einem englischen Rasen müssen sie beispielsweise mindestens zwölf mal im Jahr mähen, Schnittgut beseitigen und so weiter. Vom ständigen, intensiven Wässern in heißer werdenden Sommern ganz zu schweigen!
Bei einem naturnahen Garten rechnet man nicht einmal mit der Hälfte des Aufwandes im Vergleich. Nur um das mal so ganz grob einzuschätzen – das hängt dann natürlich auch von der individuellen Gestaltung ab. Und das Ziel ist es ja, nicht alles sich selbst zu überlassen, sondern eine Erlebnisfläche zu schaffen, in der man zum Beispiel nach einem anstrengenden Bürotag abschalten kann. Eine grüne Oase, gleich am Haus, zum Ausruhen und Auftanken. Nach gerade einmal zehn Minuten entspannter Arbeit im Garten tritt dieser Effekt ein, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen und versprechen.