Mit Kreativität und Kompromissfähigkeit verband Architekt Volker Herzog zwei nebeneinanderliegende historische Stadthäuser in Freising zu einem außergewöhnlichen Mehrgenerationenhaus.
Das Problem kommt irgendwann auf fast jede Familie zu: Die Eltern sind schon länger im Rentenalter und es sind nicht mehr sie, die sich um die Kinder sorgen, sondern der Sohn oder die Tochter fragt sich, wie wohl die Zukunft aussehen wird. Können Vater oder Mutter in ihrem eigenen Zuhause bleiben? Welche Optionen gibt es?
Der Freisinger Architekt Volker Herzog setzte sich schon länger mit diesem Thema auseinander und wollte ein Mehrgenerationenhaus bauen: Seine Mutter lebte inzwischen in ihrem Haus bei Hannover allein, und es war absehbar, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht auf Dauer dort bleiben konnte.
Das eigene Haus, in dem er mit seiner Frau Heidi und seinen mittlerweile drei erwachsenen Kindern fast 25 Jahre am Rand der Domstadt wohnte, hätte er nicht umbauen können.
Zwei denkmalgeschützte Häuser, ein großes Projekt
Durch einen Zufall erfuhr Volker Herzog, dass ein christlicher Verlag in einer schmalen Seitenstraße gleich zwei denkmalgeschützte Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert verkaufen wollte. In einem führten zwei Ordensschwestern in den 1950er-Jahren einen katholischen Buch- und Kunstladen, daneben befand sich eine Druckerei.
Warum neu bauen, wenn sich hier die einmalige Chance bot, in Innenstadtlage ein zeitgemäßes Mehrgenerationenprojekt zu verwirklichen, mit dem alle Familienmitglieder einverstanden waren?
Herzog bekam den Zuschlag. Hier ließ sich ein individuelles Wohnen für alle realisieren – das zudem auch in Zukunft unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bietet. Nur Parkplätze fehlen – jetzt radelt die Familie meistens.
Zwei Jahre dauerte das anspruchsvolle Projekt. Beide unmittelbar angrenzenden Objekte sind fast gleich groß. Das eine Haus hat 205 Quadratmeter, das andere 210 Quadratmeter Wohnfläche.
Die Gebäude waren jedoch in einem desolaten Zustand. Der PVC-Boden lag zum Beispiel auf einfachen Spanplatten. Die Kunststofffenster aus den 50er-Jahren waren typische Bausünden. "Es war alles kaputtrenoviert", rekapituliert der Architekt.
Die Sanierung erfolgte unter der Prämisse, dass ein Rückbau auf die ursprüngliche Substanz erfolgt und die Grundrisse darauf entwickelt werden. Die Historie sollte erhalten bleiben und trotzdem eine spannende Architektur entstehen.
Volker Herzog vergleicht die Raumplanung mit einer Knobelaufgabe. Es ging um viele knifflige Fragen, wie etwa die Raumaufteilung. Und nicht zuletzt, wie so häufig bei einem Mehrgenerationenhaus-Projekt, der wichtige Punkt: Wie lassen sich die Ansprüche der Familie mit drei erwachsenen Kindern mit den Wünschen seiner Mutter vereinen?
Nach vielen Gesprächen innerhalb der Familie kristallisierte sich die Nutzung heraus, die größtmögliche Privatheit und zugleich Nähe ermöglichte.
So wurde aus zwei Häusern eines
Die beiden Treppenhäuser und Eingänge blieben in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Das komplette Erdgeschoss bewohnt der Architekt mit seiner Frau, die Lehrerin ist.
Im Obergeschoss im barocken Gebäudeteil mit dem Spitzgiebel sind das Elternschlafzimmer mit Ankleide, Bad, Gästezimmer und ein Zimmer des jüngsten Sohnes Alexander.
Zum Korrigieren von Schularbeiten zieht sich die Bauherrin in ihren ruhigen Arbeitsraum unter dem offenen Dachgiebel zurück. Gegenüber sind ein weiteres Bad sowie ein zweiter Gastraum untergebracht.
Im klassizistischen Gebäudeteil, bei dem die feinen Stuckelemente erneuert wurden, erschließt eine neue Treppe aus Stahl mit massiven Eichenstufen die Wohnung der Mutter im Obergeschoss. Für das Treppenauge ersann der Architekt ein raffiniertes Lichtkonzept: Vor die alten Verbundglasfenster an der Giebelseite setzte er Schwarzstahlrahmen mit Milchglas. Tagsüber schimmert natürliches Licht durch, nachts sorgen dazwischen platzierte LEDs für Helligkeit. Mit dieser Idee schuf er eine elegante Lösung, um die unmittelbare Nachbarschaftsbebauung zu verstecken.
Architektonisches Highlight ist die zweigeschossige Maisonette-Wohnung darüber, die von seinem zweiten Sohn oder seiner Tochter flexibel genutzt werden kann. Auf 65 Quadratmetern verteilen sich ein Duschbad, ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer und eine offene Küche mit kleinem Sitzplatz.
Die einläufige Sambatreppe gegenüber – mit Stauraum und einer Nische für die Espressomaschine – führt auf eine kleine Galerie mit Rückzugsbereich zum Lesen und Entspannen unter dem zweiten offenen Giebel. Das noch erhaltene Fenster aus dem 18. Jahrhundert inszenierte Herzog bewusst: Durch das vorgesetzte Glaselement sollte es wie ein Ausstellungsstück hinter der Vitrine wirken.
Innenhof als Ruhepol
Das kommunikative Zentrum der Familie liegt zum Garten hin. Zwei Schiebetüren unter dem Balkon der Mutter öffnen den Wohnraum zur Terrasse und bieten weite Sichtachsen in den Garten.
Hier machte das Denkmalschutzamt ein Zugeständnis an die Bauherren und erlaubte einen kleinen Anbau bis zur Außenlinie der Bestandsgebäude.
Der rückwärtige Innenhof ist ein wunderbarer Ruhepol. Wo früher die einfachen Produktions- und Lagerstätten der Buchdrucker waren, befinden sich jetzt Terrassen, Hochbeete und ein japanisch anmutender Gartenbereich
Daneben schließt sich die Küche an. Auch hier entwarf der Architekt die Einbauten selbst. Vor eine Holzrahmenkonstruktion setzte er die Türen aus MDF. "Nicht die Möbel und Hightech-Geräte, sondern die Architektur und die historische Bausubstanz sollten die Hauptrolle spielen", resümiert Volker Herzog.
Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt
Im gesamten Erdgeschoss liegen die für die Region typischen diagonal verlegten Solnhofner Platten.
Das örtliche Denkmalschutzamt gab Herzog wertvolle Ratschläge für den originalgetreuen Nachbau der Fenster und nannte geeignete Materialien für die Fassade. Das spitzgiebelige Gebäude aus dem Barock erhielt einen hellblauen, das klassizistische einen sandfarbenen Farbanstrich. "Früher waren unsere Städte viel bunter", bedauert der Architekt und freut sich über die zurückhaltende Farbigkeit seines Ensembles. Sie entspricht den originären Vorlagen, die beim Abtragen der alten Farbschichten zum Vorschein kamen.
Auch bei der energetischen Sanierung ging Volker Herzog keine Kompromisse ein: Er renovierte das Gebäude so effizient, dass die Fördermittel nach KfW 40 bewilligt wurden. Alle Außenwände sind mit einem Kalkputz mit Aerogelzuschlag gedämmt, der die höchste Anforderung an die Energieeffizienz erfüllt. Das Dach erhielt zusätzlich eine Aufdachdämmung.