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Wohneigentumsquote in Deutschland: Alarmierende Entwicklung

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Katharina Schneider

In keinem Land der Europäischen Union leben so wenig Menschen in den eigenen vier Wänden wie in Deutschland. Und nun ist die Wohneigentumsquote zum ersten Mal seit 1993 wieder gesunken. Im Jahr 2018 lag die Eigentumsquote in Deutschland bei lediglich 42 Prozent.

Das geht aus einer Analyse des Berliner Forschungsinstituts Empirica hervor. 2013 habe der Anteil der Menschen, die in Deutschland im Eigenheim leben, noch 43 Prozent betragen. Dabei liegt in den ostdeutschen Bundesländern die Eigentumsquote mit 36 Prozent deutlich hinter der in den westdeutschen (45 Prozent).

Als "Alarmzeichen, das die Politik ernst nehmen muss", bezeichnet Corinna Merzyn, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Privater Bauherren (VPB), die Entwicklung der Wohneigentumsquote in Deutschland. Die Mehrheit der Deutschen wünsche sich, abends die eigene Tür hinter sich zuzumachen. Und besonders in Zeiten von Corona werde das Zuhause als ruhestiftender Kokon empfunden.

Wohneigentumsquote in Deutschland 1978 bis 2018

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Nur in der Schweiz leben noch weniger Menschen im Eigenheim

In keinem anderen Land der EU ist die Wohneigentumsquote so niedrig. Denn von den OECD-Ländern leben nur in der Schweiz weniger Menschen im Wohneigentum als in Deutschland. Die Zahlen der Empirica-Analyse beruht auf einer Befragung des Statistischen Bundesamts. Laut Eurostat lebten in Deutschland 2018 51,1 Prozent der Menschen im Eigenheim, in der Schweiz nur 42,5 Prozent. Spitzenreiter in Europa ist übrigens Rumänien mit einer Eigentumsquote von 95,8 Prozent.

Demnach bildet die von Eurostat veröffentlichte Wohneigentumsquote das Verhältnis der Anzahl der Haushalte, die Wohneigentum gebildet haben, zur Anzahl der betrachteten Gesamthaushalte ab. Bei der Ermittlung der "deutschen Wohneigentumsquote" durch das Statistische Bundesamt wird lediglich die selbstgenutzte eigene Immobilie erfasst. Man spricht von der Eigentümerquote.

Land Wohneigentumsquote
Rumänien 95,8 Prozent
Ungarn 91,7 Prozent
Estland 81,7 Prozent
Norwegen 80,3 Prozent
Spanien 76,2 Prozent
Griechenland 75,4 Prozent
Italien 72,4 Prozent
Niederlande 68,9 Prozent
Vereinigtes Königreich 65,2 Prozent
Frankreich 65,1 Prozent
Dänemark 60,8 Prozent
Österreich 55,2 Prozent
Deutschland 51,1 Prozent
Schweiz 42,5 Prozent
Wohneigentumsquote in ausgewählten europäischen Ländern 2019 (Quelle: Eurostat)

Generationeneffekt sorgt für viele Eigenheim-Besitzer unter den Senioren

Vor allem jüngere Menschen können sich das Eigenheim in Deutschland oft nicht mehr leisten. Laut Empirica ist der Anteil der 70- bis 79-Jährigen unter den Immobilieneigentümern in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen. Verantwortlich dafür soll der Generationeneffekt sein. Denn die heute älteren Menschen im Westen Deutschlands hatten einen Wohlstandsvorsprung und konnten so leichter als die Kriegsgenerationen an Wohneigentum kommen. So ist die Wohneigentumsquote in Deutschland unter den 70- bis 79-Jährigen im Jahr 2018 laut Empirica auch bei 58 Prozent – der höchste Anteil aller Altersgruppen.

Ein weiterer Grund für die niedrige Quote gerade unter Jüngeren sei eine spätere Familienplanung. Denn die Wohneigentumsquote sei umso höher, je früher Familien gegründet würden, heißt es von Empirica. Da sich das Alter für die Familiengründung immer weiter nach hinten verschiebt, verlängere sich auch das Mieterdasein.

Das seien auch die Gründe für die mit 25 bis 30 Prozent sehr geringe Wohneigentumsquote unter den 30- bis 39-Jährigen in Deutschland. Die Mehrheit der heute 30- bis 45-Jährigen schaffe es nicht, ohne Unterstützung der Familie das nötige Kapital für den Wohnungs- oder Hauskauf aufzubringen, kritisiert auch der VPB. "Das ist nicht nur frustrierend für alle, die nicht aus wohlhabenden Elternhäusern kommen. Es zementiert auch Vermögensungleichheit und birgt erheblichen sozialen Sprengstoff", sagt Corinna Merzyn vom VPB.

Bundesbank-Studie: So könnte die Wohneigentumsquote in Deutschland steigen

Auch für die Bundesbank ist die Wohnungspolitik entscheidend für die niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland. Im Januar 2020 hat sie in einer Studie gezeigt, wie sich die Wohneigentumsquote in Deutschland verbessern könnte. Und damit – so die Autoren der Studie – ließe sich auch die immer größer werdende Vermögensungleichheit verringern.

Als Grund dafür, wieso hier so wenige Menschen im Eigenheim leben, führen die Wissenschaftler drei verschiedene Gründe an:

  1. Die hohen Grunderwerbsteuern. Die machten Immobilien zu einem teuren und weniger liquiden Vermögenswert.
  2. Hypothekenzinsen können für Eigennutzer nicht steuerlich geltend gemacht werden. Das sei zwar "steuersystematisch schlüssig", verteuere aber die Finanzierungskosten für Immobilien.
  3. Den sozialen Wohnungsbau. Der biete häufig einen Anreiz zum Mieten und eine günstigere Alternative zum Wohneigentum.

Drei Maßnahmen nach dem Vorbild der USA

In der Studie ahmen die Wissenschaftler drei Maßnahmen aus der US-amerikanischen Wohnungspolitik nach. Dort wohnen 65 Prozent der Menschen in einer eigenen Immobilie.

  • die Reduzierung der Grunderwerbssteuer für Eigennutzer von aktuell fünf Prozent auf das Niveau der USA von im Schnitt 0,33 Prozent.
  • Eigennutzer bekommen die Möglichkeit, Hypothekenzinsen von der Steuer abzuziehen.
  • Der soziale Wohnungsbau wird beendet. Der so eingesparte Betrag soll zu einer Reduzierung der Einkommenssteuer führen und somit allen Haushalten zugute kommen.

Alle drei Experimente, heißt es in der Bundesbank-Studie, hätten eine positive Auswirkung auf die Wohneigentumsquote in Deutschland. Besonders im mittleren Einkommensbereich wachse der Anteil der Eigennutzer. Der kombinierte Effekt der drei Maßnahmen würde zu einer Wohneigentumsquote von 58 Prozent führen, so die Wissenschaftler.

Eine veränderte Wohnungspolitik würde mehr Haushalten Anreize bieten, ein Eigenheim zu erwerben. Gleichzeitig hätte sie aber auch Verteilungseffekte, weil Mieter und Eigentümer unterschiedlich betroffen wären.

Bei niedrigerer Grunderwerbsteuer sinkt zwar der Preis inklusive Nebenkosten, den Eigennutzer zahlen müssen, jedoch steigt der Preis ohne Steuer, den Immobilienunternehmen als Vermieter bezahlen. Dadurch würden die Mieten steigen. Außerdem würden zwar besonders weniger wohlhabende Haushalte durch niedrigere Erwerbsnebenkosten profitieren. Doch sie müssten auch den Ausgleich durch eine höhere Einkommenssteuer mittragen.

Die steuerliche Abzugsmöglichkeit von Hypothekenzinsen hätte wiederum leichte Wohlfahrtsgewinne, sagen die Forscher. Denn so könnten sich mehr Menschen aus den unteren Einkommensschichten ein Eigenheim leisten.

Wohneigentumsquote hängt mit Vermögensungleichheit zusammen

Die Bundesbank hat in einer anderen Studie gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Anteil der Immobilieneigennutzer und der Vermögensungleichheit in europäischen Ländern gibt. Demnach wiesen Länder wie Österreich und Deutschland, wo verhältnismäßig wenig Menschen in eigenen Immobilien leben, auch eine hohe Vermögensungleichheit auf. In südeuropäischen Ländern, wo die Wohneigentumsquote höher ist, sei auch die Ungleichheit geringer.

IW-Studie: Wohneigentums-Vorbilder aus Europa

Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung im Rahmen einer Studie (Link als PDF) der Frage nachgegangen, warum die Wohneigentumsquote in Deutschland so niedrig ist – und was andere Länder in Europa besser machen, um ihre Bürger effektiver zu Wohneigentum zu verhelfen.

Die Hauptgründe, warum gerade jüngere Haushalte es oft nicht in die eigenen vier Wände schaffen, sieht das IW vor allem in folgenden Punkten:

  • Ihnen fehlt schlicht das notwendige Eigenkapital als Basis, um einen Immobilienkredit zu finanzieren beziehungsweise Zinsen und Tilgung zu bedienen.
  • Oft scheitert der Immobilienkauf auch an den hierzulande sehr hohen Kaufnebenkosten.
  • Darüber hinaus befinden sich die Immobilienpreise auf einem Rekordniveau.
  • Und auch die Kosten fürs Baumaterial, insbesondere die Holzpreise, haben kräftig angezogen.

Effektive Maßnahmen für ein Steigerung der Wohneigentumsquote gibt es in den europäischen Nachbarländern. Die IW-Studie nennt einige davon und empfiehlt, diese (in Teilen) auch in Deutschland anzuwenden. Dazu gehören unter anderem ein abgestufte Grunderwerbsteuer, eine Ausfallversicherung bei Hypothekendarlehen und spezielle Kredite auch für einkommensschwächere Familien.

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