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Immobilienblase platzt? Woran erkennt man einen Immobiliencrash?


Hohe Immobilienpreise, steigende Zinsen und die Inflation – viele Immobilieneigentümer befürchten das Platzen einer Blase. wohnglück.de sprach mit dem Immobilienexperten Prof. Dr. Tobias Just.

  1. Was ist eine Immobilienblase?
  2. Gibt es eine Immobilienblase in Deutschland?
  3. Wann platzt die Immobilienblase?
  4. Was passiert, wenn die Immobilienblase in Deutschland platzt?
  5. Bietet der aktuelle Immobilienmarkt sogar Chancen für Anleger?
  6. Bietet die Immobilienpreisentwicklung eine Chance für potentielle Käufer?

Platzt die Immobilienblase? Viele Immobilieneigentümer stellen sich aktuell diese Frage. Höchste Zeit, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. wohnglück.de hat Prof. Tobias Just, Geschäftsführer und Leiter der IREBS Immobilienakademie in Essen zum Thema „Platzt die Immobilienblase?“ für Euch befragt.

Dr. Just
Prof. Dr. Tobias Just (FRICS) ist Geschäftsführer und Leiter der IREBS Immobilienakademie in Essen, einem An-Institut der Universität Regensburg.

Der Volkswirt und Immobilienexperte Prof. Tobias Just (FRICS), der außerdem den Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft am IREBS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg inne hat, ist Autor mehrerer Bücher zum Thema Immobilienwirtschaft, hält häufig dazu Vorträge und ist regelmäßig als Experte in Interviews in den Medien präsent.

Was ist eine Immobilienblase?

Immobilienblase – das Thema wird gerade heiß diskutiert. Viele Immobilieneigentümer fürchten sich vor dem Platzen einer Blase, vor einem plötzlichen und starken Wertverlust ihrer Immobilie. Potentielle Käufer hoffen dagegen auf fallende Preise, damit der Traum vom Eigenheim kein Traum bleiben muss. Doch was ist sie eigentlich, diese Immobilienblase?

Der Begriff „Immobilienblase“ ist eine Metapher für künstlich in die Höhe getriebene Immobilienpreise. „Die Definition für eine spekulative Übertreibung, also eine Blase, ist, dass sich die Preise von den fundamental gerechtfertigten Werten entfernt haben“, so Immobilienexperte Prof. Just.

Diese fundamental gerechtfertigten Werte können hohe Immobilienpreise erklären – es bestünde also trotz hoher Immobilienpreise keine klassische Immobilienblase. Zu diesen Bestimmungsfaktoren für Immobilienpreise zählen unter anderem Zinsen, Bautätigkeit, Einkommen und Bevölkerungsdynamiken.

Bei dem letzten Immobiliencrash, der 2007 in den USA begann, gab es solche gerechtfertigten Werte nicht – die hohen Immobilienpreise waren zu einem großen Teil spekulativ. Bevor es zur Immobilienkrise kam, wurden in den USA viele neue Wohnungen und Häuser gebaut, die Banken gaben Kredite mit erleichterten Voraussetzungen heraus und die Zinsen waren günstig. 

Viele Amerikaner, auch Geringverdiener, konnten sich unter diesen Bedingungen ein Eigenheim leisten. Grund für die amerikanische Immobilienblase war vor allem die Annahme, dass Immobilienpreise nicht drastisch und über einen längeren Zeitraum hinweg sinken würden.

In Deutschland sieht die Grundsituation anders aus: „Tatsächlich konnten wir die Preisdynamik in den letzten Jahren sehr gut mit diesen wichtigen Faktoren erklären“, sagt Prof. Just. 

Eine klassische Blase am Immobilienmarkt, wie es sie 2008 in den USA gab, gibt es hierzulande also nicht. Jedoch kommt es gerade zu großen Änderungen auf dem Immobilienmarkt, ausgelöst durch die steigenden Zinsen und die Inflation.

Einfamilienhäuser
Platzt die Blase? Viele Immobilieneigentümer fürchten sich vor einem plötzlichen und starken Wertverlust ihrer Immobilie.

Gibt es eine Immobilienblase in Deutschland?

Die Bundesbank warnte jüngst im Februar 2022, dass viele Immobilien bis zu 40 Prozent überbewertet seien. Laut Immobilienexperte Prof. Just ist das aber keine neue Warnung: „Seit 2015 sagt die Bundesbank, die Wohnungsmärkte sind mindestens 30 Prozent zu hoch“, unterstreicht er. Bedeutet das eine Entwarnung für ein mögliches Platzen einer Immobilienblase 2023 in Deutschland?

Eine Immobilienblase wird vor allem dadurch definiert, dass die Preise spekulativ in die Höhe getrieben wurden. Eine solche spekulative Übertreibung lässt sich laut Prof. Just weder analysieren noch prognostizieren. In Deutschland kann die Immobilienpreisentwicklung jedoch sehr gut erklärt werden.

„Wir hatten eine positive Einkommensentwicklung. Wir hatten ein positives Bevölkerungswachstum – viel mehr als vor 10 Jahren erwartet wurde", so Prof. Just. "Wir hatten historisch niedrige Zinsen und wir haben zu wenig gebaut. All das sorgte dafür, dass sowohl die Mieten als auch die Immobilienpreise stark stiegen. Deswegen", so der Experte weiter, "würde ich sagen, das ist keine klassische spekulative Übertreibung, was wir in Deutschland haben, weil es sehr viele gute Gründe gibt. Aber – und das ist wichtig – einige dieser guten Gründe sind nun weggefallen. Und der wichtigste gute Grund ist die Finanzierungsseite, die Zinsen.“

Wann platzt die Immobilienblase?

Die Entwicklungen am Immobilienmarkt werden wahrscheinlich eine Anpassung der Immobilienpreise zur Folge haben. Das zeichnet sich bereits in sinkenden Immobilienpreisen ab. „Richtigerweise“, wie Prof. Just anmerkt. 

Die steigenden Zinsen treffen den deutschen Immobilienmarkt von zwei Seiten, so Prof. Just: „Die Finanzierung wird teuer beziehungsweise die Banken stellen den Wert nicht zur Verfügung, und institutionelle Anleger investieren nicht mehr zwingend in Immobilien, um eine Mietrendite zu erzielen. Sie gehen zurück in Anleiheinvestitionen.“

Durch diese Veränderungen sinken sowohl die Kaufkraft als auch die Nachfrage von Immobilien – und das führt zu sinkenden Immobilienpreisen. Das Angebot steigt, die Nachfrage sinkt. Zusätzlich bringen die Energiekrise, die Inflation und Krieg in Europa viele Unsicherheiten mit sich.

„Ich beschreibe das als keine geplatzte Blase, die auf uns zukommt, sondern als etwas, das fundamental und richtigerweise zurückgeht,“ bekräftigt Prof. Just. Es gibt also gute Gründe für die aktuelle Immobilienmarktentwicklung. Einen Immobiliencrash in Deutschland mit einem starken Wertverfall von Immobilien erwartet der Immobilienexperte nicht.

„Wir haben keine Situation in wie in den USA oder Spanien zu befürchten", gibt Prof. Just Entwarnung. "Die Vermietungsmärkte sind noch angespannter als vor einem Jahr. Wir bauen zu wenig und nicht zu viel. Wir haben im Wohnungsbereich eigentlich keinen Leerstand. (...) Deswegen ist es zunächst einmal richtig, dass die Preise fallen. Es ist auch richtig, dass die Mieten steigen. Und weil das so ist, kommen wir dann wahrscheinlich relativ zügig auf ein neues Gleichgewicht, wo es etwas höhere Mietrenditen gibt. Aber Immobilienpreise werden nachgeben und das wird nächstes Jahr anhalten.“

Für manche Immobilieneigentümer könnte sich ein Nachgeben der Immobilienpreise wie ein Platzen der Immobilienblase anfühlen. Wie es möglicherweise weiter geht und was die aktuellen Immobilienmarkt Prognosen sind, könnt ihr in diesem Artikel nachlesen.

Es gibt aber auch ein Szenario, das könnte die Immobilienpreisentwicklung laut Prof. Just nach unten beschleunigen: „Wenn alle sagen ,da platzt eine Blase', dann kann es sein, dass Anleger hektisch werden, weil sie Sorge haben, etwas wie 2008 wiederholt sich. Und dann ist es möglich, dass sich Prozesse nach unten beschleunigen, die eigentlich ökonomisch nicht notwendig sein müssten.“ 

Solange das nicht passiert, können Anleger und Eigentümer aufatmen, beruhigt Prof. Just: „Eine Entwicklung wie in den USA – da sind die Preise 20 bis 30 Prozent zurückgegangen – oder in Irland 40 bis 50 Prozent – das halte ich im Moment für nicht plausibel.“

Paar vor Dokumenten
Immobilieneigentümer machen sich Sorgen, ob es einen Immobiliencrash gibt.

Was passiert, wenn die Immobilienblase in Deutschland platzt?

In Deutschland sind die Zinsen zuletzt rasant angestiegen – und so schnell werden sie nicht mehr sinken. Damit platzt vor allem für junge Familien, die sich eine Finanzierung mit hohen Zinsen nicht leisten können, der Traum vom Eigenheim.

„Ich vermute, die EZB wird die Zinsen noch einmal erhöhen. Das ist der Notwendigkeit geschuldet, dass die Inflation mit zehn Prozent noch sehr hoch ist. Die Inflation ist noch nicht gebrochen. Vor allem aber sind die Inflationserwartungen noch nicht gebrochen und dagegen hilft seitens der EZB erst mal nur steigende Zinsen. (...) Wahrscheinlich aber steigen die Zinsen nicht mehr so stark wie in der ersten Hälfte von 2022“, erklärt Prof. Just.

Dass die Immobilienblase aufgrund der Inflation platzt, prognostiziert er jedoch nicht. Er geht von einer Anpassung der Immobilienpreise aus: „Ich halte es für möglich, dass die Immobilienpreise um etwa zehn Prozent sinken. Ich halte es sogar für möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass die Preise um 20 Prozent nachgeben.“

Ein starker Wertverlust hätte schlimme Folgen für Eigentümer ohne finanzielle Rücklagen: Es ist möglich, dass Eigentümer durch den Wertverlust ihrer Immobilie und der damit einhergehenden höheren Verschuldung von der Bank gebeten werden, Eigenkapital nachzureichen. 

Kann dieses nicht bezahlt werden, sind Zwangsversteigerungen möglich. Auch für Eigentümer, die im Zuge der Rezession ihre Arbeitsstelle verlieren und damit ihren Kredit nicht mehr bedienen können, erhöht sich die Gefahr einer Zwangsversteigerung. 

„Wir haben aber im Moment ein so niedriges Niveau solcher Zwangsversteigerungen, dass wir da noch viel Luft nach oben haben.“ Das gesamtwirtschaftliche Risiko sei sehr gering, meint Prof. Just.

Bietet der aktuelle Immobilienmarkt sogar Chancen für Anleger?

Die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt machen sich auch bei den Mieten bemerkbar – für Anleger ist die Entwicklung sogar positiv, sagt der Immobilienexperte Prof. Just: „Die Mieten steigen wieder. (...) Die Angebotsmieten steigen sogar stärker als im letzten Jahr. Der Grund ist, dass nicht genug gebaut wird und Menschen in die Städte ziehen sowie eine Beschleunigung des Flüchtlingsgeschehens. All das sorgt dafür, dass Wohnraum, der vorher schon knapp war, knapp bleibt und sich sogar weiter verknappt. (...) Wenn Mieten steigen, ist das für Vermieter natürlich ein gutes Argument, die Immobilie zu behalten. Es gibt für Vermieter keine Notwendigkeit, die Immobilie zu verkaufen. In den USA und in Spanien war der Prozess deswegen so hart, weil es dort viele leer stehende Objekte gab.“ 

Eigentümer, die ihre Immobilie eigentlich verkaufen wollten, müssen momentan mehr Geduld aufwenden, bis sie einen geeigneten Käufer finden. Käufer sind vorsichtig geworden, möchten abwarten und die Entwicklungen beobachten oder können sich durch die höheren Zinsen schlicht keine Baufinanzierung mehr leisten. 

Wohnglück-Tipp: In diesem Artikel erfahrt ihr, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, eine Immobilie zu verkaufen.

„Eigentümer, die eine langlaufende Finanzierung haben, sollten am besten Ruhe bewahren“, empfiehlt Prof. Just. Vor allem wenn die Immobilie vermietet wird und eine gute Mietrendite erwirtschaftet, ist ein hektischer Verkauf weder angebracht noch nötig.

Bietet die Immobilienpreisentwicklung eine Chance für potentielle Käufer?

Leise hoffen potentielle Käufer, dass durch einen Immobiliencrash die hohen Immobilienpreise sinken. Damit wäre das Eigenheim oder die kleine Wohnung in der Innenstadt wieder finanzierbar. 

„Mögliche Käufer sollten lieber vorsichtig agieren“, rät Prof. Just. „Sie sollten einen Puffer bei ihrer Finanzierung einplanen. Denn die Unsicherheiten bleiben. Die Zinsen können noch steigen.“ 

Außerdem seien die Banken vorsichtig geworden – eine 100-Prozent-Finanzierung, also eine Vollfinanzierung, geben die Banken nicht mehr so schnell heraus, wie das vielleicht noch vor zwei Jahren der Fall war. 

Mehr über die Vor- und Nachteile einer Vollfinanzierung, könnt ihr hier nachlesen.

Insgesamt mahnt Prof. Just, Ruhe zu bewahren: „Es gibt keine Notwendigkeit bei den gegebenen Unsicherheiten, die größte Investition des Lebens zu machen.“ 

Er sieht uns am Anfang einer Rezession mit vielen finanziellen Unsicherheiten und Risiken. Wer dennoch das Traumeigenheim kaufen möchte, dem rät der Immobilienexperte folgende Fragen genau zu prüfen:

  • Wie sicher ist mein Arbeitsplatz?
  • Möchte und kann ich mindestens zehn Jahre in der Immobilie wohnen?

Bevorzugt werden sollten Regionen mit geringen Leerständen, guten Arbeitsbedingungen und einer guten Infrastruktur. In diesen Regionen ist das Risiko geringer, dass die Immobilienblase platzt beziehungsweise die Immobilie mehr als zehn Prozent an Wert verliert. 

Eine mögliche Wertsteigerung oder auch ein möglicher Wertverlust sollte laut Prof. Just nicht priorisiert werden. Ob ihr noch in eine Immobilie investieren solltet oder nicht, wird in diesem Artikel etwas näher erklärt.

Den bestmöglichen Zeitpunkt für den Immobilienkauf zu finden, sei jedoch immer schwierig. So schwierig, dass es den besten Zeitpunkt nicht gibt. Ein bisschen abzuwarten hält Prof. Just angesichts der aktuellen Immobilienmarktentwicklung für ratsam.

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