Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf den deutschen Immobilienmarkt? Wie werden sich Preise und Bauzinsen entwickeln? Welche Immobilien werden gefragt sein, welche weniger? Claus-Peter Haller ist Chefredakteur von Bellevue, Europas größtem Immobilienmagazin, und wagt für uns einen Blick in die Zukunft.
Auch unter den Immobilienmaklern herrscht gerade eine große Unsicherheit: Wie reagieren die zuletzt so investitionsfreudigen Kunden in der Coronakrise? Bricht die Nachfrage weg oder wollen sich nun viele in den sicheren "Immobilien-Hafen" retten? Thesen aufzustellen, was Corona mit Deutschlands Immobilienmarkt macht, ist schwierig, aber möglich.
Noch herrscht gespanntes Abwarten, da jede Nachricht und jede politische Entscheidung zum Coronavirus völlig veränderte Voraussetzungen schaffen kann. Droht eine zweite Virus-Welle? Wie verkraftet unsere Wirtschaft die Krise? Wie viele werden ihre Jobs verlieren? Wann kommt ein Impfstoff? Noch gibt es keine Antworten auf diese wichtigen Fragen.
Ich habe in den vergangenen Wochen besonders viele Gespräche mit Immobilienmaklern geführt und die aktuellen Zahlen und Nachrichten verfolgt. Aus diesen Erkenntnissen möchte ich eine vorsichtige Bestandsaufnahme vollziehen und wage einen unverbindlichen, vorwiegend "bauchgefühlten" Blick in die Zukunft des deutschen Immobilienmarkts.
1. Was begehrt war, bleibt begehrt
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien zum Mieten oder Kaufen ist laut vielen Immobilienmaklern nach wie vor ungebrochen. Besonders die Metropolregionen sind weiterhin begehrt. Das mag auch daran liegen, dass potentielle Interessenten derzeit viel Zeit online verbringen und sich intensiv mit dem Thema Wohnen beschäftigen.
Zwar finden unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen schon Besichtigungstermine statt. Aber insgesamt ist es noch recht verhalten. Hier kommt es also zu einem gewissen Stau. Dieser könnte sich aber schnell auflösen, wenn die Corona-Beschränkungen wegfallen und das "normale Leben" zurückkehrt.
Meine erste These, was Corona auf dem Immobilienmarkt macht, ist folgende: Während Wohnungen und Häuser gefragt sind, stoßen Büroräume, Geschäftslokale und sonstige Gewerbeimmobilien derzeit kaum auf Interesse. Das wird sich auch in absehbarer Zukunft wenig ändern. Dafür müssen alle Unternehmen zu sehr sparen, beziehungsweise haben andere Sorgen. Viele sind froh, wenn sie die Coronakrise überhaupt überleben.
Eine Ausnahme gibt es allerdings: Logistik-Immobilien sollen derzeit aufgrund des florierenden Internethandels recht begehrt sein.
2. Die Zeit der stetig steigenden Immobilienpreise ist vorbei
Wie lange die Konjunktur belastet wird, ist schwer abzuschätzen. Was hingegen recht sicher ist: Die Banken werden bei der Kreditvergabe noch vorsichtiger vorgehen. Und viele Menschen werden ihre Umzugspläne erst einmal verschieben und die weitere Entwicklung abwarten. Und durch die Coronakrise werden die Arbeitslosenzahlen deutlich steigen.
Die Zeit der ständig steigenden Immobilienpreise ist wohl erst einmal vorüber. Viele Experten rechnen mit einer "Delle", einem vorübergehenden Preisrückgang. Betrachtet man vergangene Krisen, zum Beispiel nach den Anschlägen vom 11. September 2001 oder nach der Bankenpleite 2008, dann sanken die Immobilienpreise zunächst. Anschließend verharrten sie einige Zeit auf diesem Niveau und setzten dann zu neuen Höhenflügen an. Betongold ist halt immer noch eine der sichersten Investitionen.
Banken bieten Kunden mit guter Bonität (regelmäßiges, solides Einkommen, möglichst viel Eigenkapital, möglichst wenig Schulden) Baugeld für unter einem Prozent an. Inklusive Tilgung kosten 100.000 Euro so weniger als 300 Euro im Monat. Nie zuvor waren Hypotheken-Darlehen so günstig wie heute. Billiger kann es kaum noch werden. Auch das ist also ein Effekt, den Corona auf den Immobilienmarkt hat.
Die meisten Finanzexperten erwarten nicht, dass die Zinsen in absehbarer Zeit steigen werden. Fast alle Staaten sind hoch verschuldet, jetzt sollen wegen Corona weltweit auch noch über 20 Billionen geliehene Euro in Wirtschaftsförderung gepumpt werden. Steigende Zinsen kämen für viele Länder dem sicheren Konkurs gleich.
Es gibt allerdings auch Banker, die der Meinung sind, dass die Finanzmärkte wegen steigender Staatsverschuldungen und zunehmender privater und geschäftlicher Insolvenzen mittel- bis langfristig so unter Druck geraten, dass die Zinsen anziehen werden. Von daher sind Bauherren jetzt gut beraten, Erst- und Anschlussfinanzierungen möglichst langfristig abzuschließen.
Bei den Ferienimmobilien gilt: je näher, desto besser. Immobilien in beliebten Ferienregionen wie Nord- und Ostsee, Alpen oder anderen landschaftlich reizvollen Gegenden erfreuen sich großer Nachfrage. Fernziele, Flugreisen oder Kreuzfahrten werden wohl noch eine ganze Weile brauchen, um sich von ihrem Corona-Fiasko zu erholen und auch nur annähernd die Gästezahlen der vergangenen Jahre zu erreichen.
Ferienwohnungen und Häuser, mit ausreichend Abstand zum Nachbarn und mit dem Auto erreichbar, sind echte Krisengewinnler. Sie sind bis weit in diesen Herbst ausgebucht und bereits fürs nächste Jahr reserviert. Das ist ein positiver Effekt durch Corona auf dem Immobilienmarkt in Deutschland und seinen direkten Nachbarn.
Viele haben in diesen Monaten die Vorteile des Homeoffices schätzen gelernt. Und viele (besonders Eltern kleiner Kinder) haben sich nach einem eigenen, kleinen Garten gesehnt. Ebenso viele haben gemerkt, dass man auch mit weniger auskommt, beziehungsweise vieles gar nicht wirklich braucht. Und Büromenschen haben festgestellt, dass Videokonferenzen effektiv sein können und es ausreichend ist, zwei Mal pro Woche auf der Fahrt in die Firma im Stau zu stehen.
Vielleicht bewirkt Corona ein gewisses Umdenken. Vielleicht haben wir aus der ganzen Corona-Misere sogar etwas gelernt. Ganz sicher haben wir gemerkt, wie wichtig das eigene Zuhause fürs persönliche Wohlbefinden ist.