Bauen | Ratgeber
Überbau: Was kann ich tun, wenn der Nachbar über die Grundstücksgrenze baut?
- Definition: Was ist ein Überbau?
- Wann liegt ein Überbau vor?
- Überbau – was zählt dazu?
- Überbau: Wie viel Dachüberstand ist erlaubt?
- Was passiert bei Überbauung?
- Wann muss ein Überbau entfernt werden?
- Wann muss ein Überbau geduldet werden?
- Überbau: Das müsst ihr beim Widerspruch beachten
- Wem gehört der Überbau?
- Überbau – was ist eine Geldrente?
- Wie hoch kann eine Überbaurente sein?
- Überbaurente: Eine Beispielrechnung
- Überbau: Kauf statt Geldrente
- Was ist Überbaurecht?
- Wer hilft bei Nachbarschaftsstreit wegen Überbau?
- Unterscheiden sich die Regelungen zum Überbau je nach Bundesland?
Gerade in dicht besiedelten Gegenden und Neubaugebieten führt ein Thema immer wieder zu Streit mit dem Nachbarn: Konflikte wegen eines Überbaus gehören im Nachbarrecht zur Tagesordnung.
Doch was genau zählt zum Überbau und welche Rechte habt ihr, wenn euer Nachbar die Grenzbestimmungen ignoriert und einfach über eure Grundstücksgrenze baut? Wir erklären, was ihr unternehmen könnt und wie ihr sogar finanziell von der Rechtsverletzung eures Nachbarn profitieren könnt.
Definition: Was ist ein Überbau?
Im Nachbarrecht spricht man von einem Überbau, wenn ein Gebäudeteil des Nachbargrundstücks über eure Grundstücksgrenze ragt. Diese Definition bezieht sich nicht nur auf Gebäudeteile, die auf dem Boden errichtet worden sind.
Auch Grenzüberschreitung im Luftraum und unter der Erde sind möglich, zum Beispiel, wenn die Regenrinne eines Carports oder unterirdisch verlaufende Rohre über die Grundstücksgrenze ragen.
Die Bezeichnung Überbau gilt nur für Bauwerke, die fest mit dem Erdboden verbunden und durch Wände und Dach verschlossen sind. Dazu zählen oberirdische, unterirdische und ebenerdige Bauwerke. Bauten, die nicht unter den Begriff Gebäude fallen, zählen nicht als Überbau.
Interessant: Grenzstein: So findet ihr die Grundstückgrenze.
Wann liegt ein Überbau vor?
Ein Überbau liegt dann vor, wenn ein Bauherr ein Teil seines Gebäudes auf dem Nachbargrundstück errichtet. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Grundstücksgrenzen durch eine nachträglich angebrachte Außendämmung verletzt werden oder die Regenrinne auf das Nachbarschaftsgrundstück ragt. Aber auch unterirdisch verlaufende Rohre, etwa im Kanalsystem, zählen als Überbau.
Wie man die Grenzen zum Nachbargrundstück richtig berechnet, erfahrt ihr hier.
Überbau – was zählt dazu?
Unter den Begriff Überbau fallen:
- Dachüberstände
- Balkone
- Giebel
- Erker
- Regenrinnen
- Keller
- Tiefgaragen
- Lüftungsschächte
- Rohrleitungen
- Wärmedämmungen
- Garagen
Folgendes zählt nicht als Überbau:
- Mauern
- überdachte Terrassen
- Zufahrten zu Garagen oder Wegpflaster
- Markisen
- Balkone
- Fensterläden
- seitlich offene Carports
- leicht versetzbare Gebäude wie Gartenhäuser
- Zäune
Überbau: Wie viel Dachüberstand ist erlaubt?
Grundsätzlich dürfen weder der Überstand noch die Dachrinne über die Grundstücksgrenze hinausragen. Ausnahmen erteilen Bauämter nur dann, wenn der Nachbar eine schriftliche Einwilligung hierzu abgibt.
Was passiert bei Überbauung?
Liegt auf eurem Grundstück eine Überbauung vor, gibt es drei Möglichkeiten:
- Ihr stimmt dem Überbau ausdrücklich zu und erhaltet eine finanzielle Entschädigung (dazu später mehr).
- Ihr stimmt dem Überbau ausdrücklich nicht zu und erhebt Widerspruch dagegen. Dann ist euer Nachbar verpflichtet, den Überbau auf seine Kosten zu entfernen.
- Ihr bemerkt den Überbau zunächst nicht. Dann müsst ihr diesen gegen Entschädigung dulden, sofern der Nachbar bei der Überbauung lediglich leicht fahrlässig gehandelt hat.
Wann muss ein Überbau entfernt werden?
Die Antwort darauf regelt der § 912 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser besagt, dass ihr den Überbau dulden müsst – es sei denn:
- Der benachbarte Bauherr hat mit Vorsatz gehandelt.
- Der Eigentümer hat grob fahrlässig gehandelt.
- Ihr habt vor oder direkt nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben.
Gesetzt den Fall, ihr habt weder zugestimmt noch Widerspruch erhoben: Ob ihr euch dann mit dem Überbau arrangieren müsst, hängt davon ab, ob euer Nachbar grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt hat.
Grobe Fahrlässigkeit liegt rechtlich betrachtet dann vor, wenn der Bauherr unmittelbar in Grenznähe baut. Auch wenn er sich nicht fachkundig davon überzeugt, dass eine Grenzverletzung ausgeschlossen ist – etwa durch Beauftragung eines Vermessungsingenieurs –, kann ihm grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden.
Das gilt auch für den Fall, dass ein Grundstückseigentümer ein Gebäude errichtet, obwohl der Grenzverlauf unklar ist. Das Katasteramt der jeweiligen Kommune gibt Auskunft darüber, wo genau die Grenze verläuft.
Liegt beim Überbau grob fahrlässiges oder sogar vorsätzliches Verhalten vor, ist der Bauherr verpflichtet, den Überbau wieder zu beseitigen. Wer leicht fahrlässig handelt, kann zunächst abwarten, ob der Nachbar Widerspruch erhebt.
Wann muss ein Überbau geduldet werden?
Ist dem Bauherrn weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen und ihr habt keinen Widerspruch eingelegt, müsst ihr den Überbau dulden. Dafür werdet ihr allerdings finanziell entschädigt (mehr dazu weiter unten).
Überbau: Das müsst ihr beim Widerspruch beachten
Wenn ihr Widerspruch gegen den Überbau erheben möchtet, solltet ihr euch beeilen. Möglichst sobald sich die Überschreitung eurer Grundstücksgrenze abzeichnet, solltet ihr den Widerspruch formulieren – spätestens aber, sobald ihr diesen bemerkt. Das muss so frühzeitig erfolgen, dass der Bauherr die Entfernung ohne erhebliche Zerstörung des Überbaus vornehmen kann.
Für den Widerspruch genügt eine formlose Meldung an den Bauherren, Bauleiter oder Architekten. Um den Widerspruch im Falle eines Rechtsstreits nachweisen zu können, empfiehlt sich die schriftliche Form.
Wem gehört der Überbau?
Bei der Frage, wer Eigentümer des Überbaus ist, lautet die Antwort ganz klar: Der Bauherr bleibt im Besitz des Überbaus. Indem er dem Nachbarn, über dessen Grenze er gebaut hat, eine Geldrente zahlt, geht der bebaute Grundstücksteil in den Besitz des Überbauers über.
Überbau – was ist eine Geldrente?
Wenn ihr dem Überbau zugestimmt oder nicht widersprochen habt, steht euch nach BGB § 912 eine Überbaurente zu. Diese Geldrente gilt als Entschädigung für die Duldung und als Ausgleich dafür, dass ihr den überbauten Teil eures Grundstücks nicht mehr nutzen könnt.
Die Geldrente beginnt mit dem Jahr, in dem der Überbau errichtet wurde und muss jährlich im Voraus bezahlt werden. Dafür wird euer überbauter Grundstücksteil zum Besitz des Bauherrn. Auch wenn dieser das Grundstück verkauft, muss der neue Besitzer euch weiterhin die jährliche Rente zahlen.
Wie hoch kann eine Überbaurente sein?
Um herauszufinden, wie hoch die Geldrente ausfällt, benötigt ihr den Verkehrswert der überbauten Fläche.
Die Höhe des Verkehrswerts hängt entscheidend davon ab, ob und wie der überbaute Grundstücksteil nach den rechtlichen Vorgaben mit Gebäuden bebaut werden kann. Auch der Bodenrichtwert des jeweiligen Grundstücks ist ein entscheidendes Kriterium.
Überbaurente: Eine Beispielrechnung
Im Falle eines Nachbarschaftsstreits in Süddeutschland ergab ein Gerichtsurteil folgende Berechnung:
Der Bauherr errichtete eine Bodenplatte, die sich auf das Nachbargrundstück erstreckt.
Der klagende Nachbar verlangte vom Beklagten die Zahlung einer jährlichen Überbaurente in Höhe von 605,77 Euro. Das Gericht stimmte zu. Folgende Berechnung diente als Grundlage:
Überbaute Fläche: 14,55 m² x 810 Euro pro Quadratmeter Bodenrichtwert (zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung) x 5,14 % Liegenschaftszins = 605,77 Euro
Überbau: Kauf statt Geldrente
Als Rentenberechtigte könnt ihr jederzeit verlangen, dass euer Nachbar euch den von ihm überbauten Grundstücksteil abkauft. Auch dabei bemisst sich der Kaufpreis nach dem Verkehrswert des Grundstücks zur Zeit der Grenzüberschreitung. Die bisher gezahlte Rente wird nicht angerechnet.
Was ist Überbaurecht?
Das Überbaurecht wird auch als Nachbarrecht bezeichnet. Es regelt Fälle, in denen ein Gebäude über die Begrenzung eines nebenliegenden Grundstücks ragt.
Ein weiterer Klassiker beim Nachbarschaftsstreit ist das Thema Sichtschutz. Erfahrt hier, welche Sichtschutzmöglichkeiten es gibt.
Antworten auf die Frage, wie hoch der Nachbar seine Hecke wachsen lassen darf, bekommt ihr hier.
Wer hilft bei Nachbarschaftsstreit wegen Überbau?
Sobald ihr euch von den baulichen Ambitionen eures Nachbarn gestört fühlt, solltet ihr erst einmal das Gespräch suchen und versuchen, euch friedlich zu einigen. Schließlich ist gute Nachbarschaft Gold wert. Kommt es dennoch zum Streit, führt der erste Weg zu einer Schlichtungsstelle. Das können ein Notar, Schiedsmann, Rechtsanwalt oder Friedensrichter sein. Erst wenn dieser Versuch scheitert, geht es vor Gericht.
Unterscheiden sich die Regelungen zum Überbau je nach Bundesland?
Das Nachbarrecht ist Ländersache. Deshalb unterscheiden sich die gesetzlichen Rechte und Pflichten in Nachbarschaftsverhältnissen je nach Bundesland. Aufgrund der unterschiedlichen Gesetzgebungen zum Thema Überbau sind die Rechtsfolgen für Laien nur schwer zu durchblicken. Seid ihr euch unsicher, hilft eine professionelle Rechtsberatung weiter.
Auch spannend: Wie ihr euch bei Lärmbelästigung durch Nachbarn wehren könnt, erfahrt ihr hier.