In Hamburg hat Ende November der Bau an einem spektakulären Projekt begonnen: das Roots. Das Hochhaus in der Hafencity soll 65 Meter hoch werden – und besteht zu einem großen Teil aus Holz. Wenn das Gebäude fertig ist, wird es das höchste Holzhaus Deutschlands sein.
Holz ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheitsgeschichte. Und aktuell wieder voll im Trend. Besonders für eine Gebäudeart, die man zunächst einmal gar nicht mit dem Naturmaterial verbindet: das Hochhaus. Überall auf der Welt entstehen gerade Hochhäuser aus Holz. Und bald bekommt auch Deutschland ein neues höchstes Holzhaus: Ende November hat in Hamburg der Bau des Hochhauses "Roots" begonnen, das eigentlich Wildspitze heißen sollte. Der Name Roots stehe für die Vision, die Stadt mit dem Baustoff Holz nachzuverdichten, heißt es dazu von Projektleiter Garbe. Und lässt sich international besser vermarkten als Wildspitze.
Das Roots wird, wenn es wie aktuell geplant im Jahr 2023 fertiggestellt wird, mit rund 65 Metern Höhe ganze 30 Meter höher sein als das Skaio in Heilbronn, aktuell das höchste deutsche Haus aus Holz.
Das Konzept für Roots haben Fabian von Köppen und Georg Nunnemann von Garbe Immobilien-Projekte in Hamburg entwickelt. Es entstand auf der Basis eines Flächengesuchs für das Ausstellungskonzept der Deutschen Wildtier Stiftung. Der Bau soll insgesamt 140 Millionen Euro kosten und wird nun vom Tiroler Holzbauspezialisten Rubner Holzbau durchgeführt, nachdem mehrere deutsche Firmen in der Projektphase abgesprungen sind. Sie hielten die Umsetzung des Roots offenbar für unmöglich.
Die Wildtier Stiftung wird in die unteren Etagen des Hochhauses einziehen, mit Büros sowie einem Ausstellungszentrum. Dieses soll Menschen für die Natur und die Artenvielfalt begeistern und für ihren Schutz sensibilisieren, wie die Hamburger Architekten von Störmer, Murphy and Partners dazu schreiben. Die sind für den Entwurf von Roots verantwortlich.
Im Roots in Hamburg wird es auch geförderte Wohnungen geben
Doch nicht nur die Deutsche Wildtier Stiftung wird in das Roots ziehen. Insgesamt seien auf den 18 Etagen 128 Eigentumswohnungen geplant, heißt es von Bauherr Garbe. Der Quadratmeterpreis soll im Durchschnitt bei rund 8.500 Euro liegen.
Außerdem sollen 53 öffentlich geförderte Wohnungen entstehen. So sollen auch Menschen mit geringerem Einkommen die Möglichkeit erhalten, dort ein Zuhause zu finden.
Neben gastronomischen Betrieben steht den Bewohnern außerdem ein Yoga-Raum mit Terrasse und ein Concierge-Service zur Verfügung. Etwas luxuriöser geht es auch in den Wohnungen zu. Man plane für die Wohnungen eine "gehobene Ausstattung", sagt Heidi Miklowait, Mitglied der Geschäftsleitung bei Garbe. Von der Zwei-Zimmer-Wohnung mit 53 Quadratmetern Wohnfläche bis zur geräumigen Fünf-Zimmer-Wohnung mit rund 150 Quadratmetern sei alles dabei. Ausgestattet sind die Wohnungen mit Unterputzarmaturen, 60 mal 60 Zentimeter großen Fliesen, durchgefliesten Duschen und teilweise Doppelwaschtischen. Die Wohnungen sollen mit Parkett in Dielenoptik ausgelegt werden, Smart-Home-fähig sein und ihren Bewohnern "vieles Schönes mehr" bieten.
2023 sollen die Bewohner ins Roots einziehen
Der Bezug ist aktuell für 2023 geplant, sagt Miklowait. Und auch wenn die Bewohner dann in einer schick ausgestatteten Wohnung mit – je nach Etage – wohl großartigem Blick über die Hamburger Hafencity wohnen, ist das Besondere doch etwas anderes. "Mit rund 5.000 Kubikmeter Konstruktionsholz wird signifikant mehr Holz als in vergleichbaren Holzhochhausprojekten verbaut werden", sagt Miklowait.
Vergleichbare Holzhochhausprojekte entstehen, wie das Roots auch, in Hybridbauweise. Das heißt, dass nicht alle Bauteile aus Holz sind. So wird beim Roots das Untergeschoss und die Gründung aus Stahlbeton sein. Warft- und Erdgeschoss bekommen genauso ein Stahlbetonskelett wie der Kern. Das soll Stabilität, Steifigkeit, Schwingungsbegrenzungen und Brandschutz bieten. Außerdem werden die Treppenläufe als Stahlbeton-Fertigteile verbaut.
Es stünde in keinem "wirtschaftlichen Aufwand", den geforderten Brandschutz sowie die horizontale Aussteifung für das Gebäude mit Erschließungskernen aus Holz herzustellen, sagt Miklowait. Daher habe man die Hybridbauweise gewählt. "Für die Sockelgeschosse kommen noch die Anforderungen aus dem Flutschutz hinzu."
Holz soll dort eingesetzt werden, wo es seine Stärken ausspielen kann.
Heidi Miklowait, Mitglied der Geschäftsleitung von Bauherr Garbe
Dennoch soll Holz als Baustoff beim Roots im Vordergrund stehen. "Holz sollte dort eingesetzt werden, wo es technisch sinnvoll ist und seine Stärken ausspielen kann", sagt Miklowait. So werden im Roots die Decken aus Brettsperrholz sein, die tragendenden Wände sollen nahezu vollständig als aufgelöste massive Holzrahmenkonstruktionen ausgeführt werden. Auch die tragenden Außenwände bekommen ein Massivholzskelett und im Kern kommt neben Stahlbeton auch Massivholz zum Einsatz.
Der Baustoff Holz bietet viele Vorteile. Zum einen natürlich den, dass er umweltfreundlich ist. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Er braucht um zu wachsen nur Sonne und Wasser. Die Herstellung von Beton und Stahl benötigt hingegen viel Energie. Für rund acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ist die Betonproduktion verantwortlich.
Doch Holz ist nicht nur eine nachwachsende Ressource, die quasi während der Produktion, also dem Wachsen der Bäume, schon Kohlenstoffdioxid speichert. Holz speichert, auch nachdem der Baum gefällt ist, noch zwischen 40 und 100 Jahre lang Kohlenstoff im Inneren.
Besonders in Städten können Häuser aus Holz so einen Beitrag für ein besseres Klima leisten. Doch nicht nur den Städten tut Holz im Haus gut, auch den Menschen, die darin leben. Denn Holz sorgt für ein gesundes Raumklima mit ausgeglichener Luftfeuchtigkeit. Für Asthmatiker und Allergiker kann das sogar gesundheitsfördernd wirken.
Der Aspekt der Nachhaltigkeit spielt beim Roots eine große Rolle. Deshalb wird das Gebäude auch mit rund 492.000 Euro von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. So soll das Gebäude nicht nur großteils aus Holz entstehen und zum Hauptsitz der Deutschen Wildtier Stiftung inklusive ständiger Ausstellung werden. In der Tiefgarage ist ein Car-Sharing-Service mit mehreren Elektro-Autos vorgesehen, welche die Bewohner nutzen können. Außerdem hat das Roots das Umweltzeichen in Platin der Hafencity bekommen. Das steht für außergewöhnliche Leistungen beim nachhaltigen Bauen, beim Roots sind das besonders die nachhaltigen Bauprodukte.
Preise: durchschnittlich 8.500 Euro pro Quadratmeter
Parkplätze: rund 100
Architekt: Störmer, Murphy and Partner
Bauherr und Projektleitung: Garbe Immobilien-Projekte, Deutsche Wildtier Stiftung
Baubeginn: November 2020
Fertigstellung: 2023
Bezug: 2024 (geplant)
Adresse: Versmannstraße, 20457 Hamburg
Bau des Roots in Hamburg soll viel CO2 sparen
Nicht nur die Bauprodukte schonen die Umwelt. Auch beim Bau erwartet Garbe deutliche Einsparungen im Gegensatz zu herkömmlichen Hochhäusern. Voraussichtlich 26.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid könnten durch die Verwendung von Holz eingespart werden, die ansonsten bei Herstellung, Transport oder im Rahmen der Entsorgung anderer Baumaterialien anfallen würden. Denn bei der Holzbauweise können viele Module schon im Vorfeld in Werkstätten angefertigt werden. Das hat noch dazu den Vorteil, dass die Abhängigkeit vom Wetter in der Bauphase und die Störungen durch Lärm und Schmutz für die Anwohner geringer werden.
Auch wenn man sich bei Garbe sicher ist, mit dem Roots ein "herausragendes Gesamtprojekt" zu realisieren und dass der Baustoff Holz sich "vor dem Hintergrund der Klima- und Nachhaltigkeitsdiskussion einen wachsenden Marktanteil" erarbeiten kann – es gibt noch viele Hürden.
"Ein Wohnhochhaus in massiver Holzbaukonstruktion zu errichten, wird auch zukünftig eine Herausforderung bleiben", sagt Miklowait. Aktuell sei das Planen und Bauen mit Holz "noch mit viel Überzeugungsarbeit bei den genehmigenden Behörden verbunden".
Das hat auch damit zu tun, dass Holz in Deutschland was den Brandschutz angeht in die Baustoffklasse B2 eingestuft wird. Holz ist demnach normal entflammbar und darf für gewisse Teile an einem Gebäude gar nicht verwendet werden.
Dabei sind Holzhäuser bei einem Brand nicht weniger sicher als welche aus Stahl und Beton. Manche Experten halten sie sogar für sicherer. Denn zum einen wird in der modernen Holzbauweise ein speziell verarbeitetes Brettsperrholz verwendet, das eine Abbrandgeschwindigkeit von nur 0,7 Millimeter pro Minute aufweist. Und außerdem bildet abbrennendes Holz eine Verkohlungsschicht, die das Abbrennen stark verzögert. Deshalb ist es auch leichter vorherzusagen, wie und wie schnell Holz abbrennt.
Stahl kann hingegen schmelzen. Und schon vor der Schmelze verlieren Stahlträger häufig ihre Stabilität – und bringen so das ganze Haus zum Einsturz.
Trotz der Schwierigkeiten werde man mit großem Engagement von den Behörden unterstützt. Und auch potenzielle Bewohner lassen sich davon offenbar nicht abschrecken. Man habe schon 100 bis 150 vorgemerkte Kunden, sagt Miklowait. Darunter Familien, Singles, Geschäftsleute und Kapitalanleger. Und das, obwohl der Bau gerade erst begonnen hat.