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Darf ein Handwerker Rüstzeiten berechnen?

Wenn ihr ein neues Badezimmer einbauen möchtet, Malerarbeiten in Auftrag gebt oder sogar ein ganzes Haus bauen lasst, solltet ihr schon vorab mit den jeweiligen Handwerkern über die anfallenden Kosten sprechen. Dazu gehört auch die Kalkulation der Rüstzeiten.

Was sind Rüstzeiten im Handwerk?

Rüstzeiten beschreiben den Arbeitsaufwand, den Handwerker benötigen, um ihre Arbeit ausführen zu können. Dazu können Fahrten in den Baumarkt zählen, um notwendige Materialien zu besorgen, das Beladen des Fahrzeugs, die An- und Abfahrt sowie die Vorbereitung der Baustelle. 

Eine eindeutige Definition, welche Posten Rüstzeiten beinhalten dürfen, gibt es allerdings nicht, sagt Holger Scheiding, Rechtsanwalt und Rechtsberater bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Der Jurist weiß aus Erfahrung, dass gerade diese unklare Gesetzeslage im Handwerk zu Konflikten führt. Wie sich diese vermeiden lassen, zeigen wir weiter unten im Text auf. 

Warum sind Rüstzeiten für Handwerksbetriebe wichtig?

Neben der eigentlichen Arbeit am Einsatzort fallen für Handwerker etliche weitere Tätigkeiten an, die bei Beauftragung erledigt werden müssen. Nur wenn sie den Zeitaufwand dafür sorgfältig kalkulieren, lohnt sich der Auftrag finanziell. 

"Von daher ist die Berechnung von Rüstzeiten für Handwerker wirtschaftlich ganz entscheidend", weiß die Expertin Manuela Reibold-Rolinger, Fachanwältin für Bau- und ArchitektenrechtSchlichterin der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein (SOBau) und Gründerin der Bauglück GmbH. "Deshalb gehören Grundlagen der Baubetriebslehre zum Handwerk dazu."

Wann dürfen Handwerker Rüstzeiten berechnen?

Handwerker dürfen Rüstzeiten berechnen, wenn sie sich vorher mit dem Auftraggeber darüber abgestimmt haben. "Sind Rüstzeiten im Kostenvoranschlag nicht aufgeführt, dürfen sie auch nicht nachträglich angesetzt werden", sagt Manuela Reibold-Rolinger. Deshalb sieht die Baurechtsexpertin auch die Kunden in der Pflicht, sich vor Auftragserteilung ein verbindliches Angebot einzuholen und dieses sorgfältig zu prüfen. 

Anders sieht es aus, wenn der Auftraggeber im laufenden Bauprozess seinen Auftrag ändert. "Verlangt der Kunde plötzlich statt einer Badewanne den Einbau einer Dusche oder entscheidet sich für andere Fliesen, muss er für die dadurch anfallenden Zusatzkosten aufkommen", sagt Manuela Reibold-Rolinger. 

Welche Zeiten darf ein Handwerker berechnen?

Folgende Zeiten können auf eurer Handwerkerrechnung auftauchen:

  • Lohnkosten nach Arbeitszeit
  • Zeitaufwand für die Materialbeschaffung
  • Zeitaufwand zum Beladen des Fahrzeugs
  • Fahrzeit für Hin- und Rückfahrt
  • Fahrzeugkosten
  • Zeitaufwand für anfallende Vorbereitungen auf der Baustelle

Wie werden Rüstzeiten im Handwerk berechnet?

Da dazu rechtliche Vorgaben im Handwerk fehlen, kann jedes Handwerksunternehmen selbst entscheiden, wie es seine Rüstzeiten berechnet. "Allerdings sind Unternehmen verpflichtet, auf Nachfrage die Zusammensetzung der Rüstzeiten offenzulegen", weiß Manuela Reibold-Rolinger. 

Für die Baurechtsexpertin gehört die Kalkulation von Rüstzeiten in jeden seriösen Kostenvoranschlag. "Doch leider ist das in der Praxis nicht die Regel", weiß sie aus Erfahrung. Deshalb rät sie Kunden dringend, im Vorhinein einen Kostenvoranschlag inklusive aller anfallenden Kosten zu verlangen, um spätere Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. 

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Welche Konsequenzen können bei falscher Berechnung von Rüstzeiten entstehen?

Wenn ihr sicher seid, dass die Abrechnung des von euch beauftragten Handwerkers nicht korrekt ist, solltet ihr euch im ersten Schritt an das Unternehmen selbst wenden. Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt sich eine schriftliche Kommunikation, um eine lückenlose Dokumentation zu erhalten. 

Lässt sich keine Einigung erzielen, können regionale Handwerkskammern eine hilfreiche Anlaufstelle sein. Viele Kammern verfügen über eine Schlichtungsstelle, die kostenlos zwischen Auftraggeber und Handwerksunternehmen vermittelt. Bringt auch das keine Einigung, bleibt nur der Weg vor Gericht – und der ist in der Regel mit Kosten, Ärger und Zeitaufwand verbunden. 

Deshalb lautet der dringende Appell des Juristen Holger Scheiding: "Im Interesse beider Seiten sollten Kunden und Unternehmen unbedingt im Vorhinein genau vereinbaren, welche Posten später auf der Rechnung stehen."

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Weitere FAQs zu Rüstzeiten von Handwerkern

Verschuldet das Unternehmen einen Mehraufwand, darf dieser nicht zu Lasten des Kunden abgerechnet werden. Vergisst der Handwerker beispielsweise ein benötigtes Werkzeug und muss deshalb zur Werkstatt zurückfahren, geht der Zeitaufwand auf seine Kappe. 

Genauso verhält es sich bei doppelten Arbeitsstunden: Rücken zwei Handwerker für eine Arbeit aus, die in derselben Zeit auch nur von einem erledigt werden kann, darf auch nur eine Fachkraft abgerechnet werden.

Ist ein Azubi oder Praktikant mit dabei, darf dessen Arbeitszeit nicht mit dem Stundenlohn eines ausgebildeten Handwerkers vergütet werden. 

Die Arbeitszeit von Handwerkern ist in der Regel der Punkt auf der Rechnung, der am häufigsten zu Unstimmigkeiten führt. Deshalb empfehlen Handwerkskammern und Gutachter, die einzelnen Posten wie Stundensatz, Materialkosten sowie Anfahrts- und Rüstkosten in der Rechnung sauber aufzuschlüsseln. 

Bei den Stundenlöhnen wird im Viertelstundentakt abgerechnet. Eine Aufrundung auf halbe oder volle Stunden muss vorher mit dem Kunden abgestimmt werden. Auch Pausen vor Ort werden nicht mit einberechnet. Die Höhe des Stundensatzes legt jedes Unternehmen für sich fest. Regionale Kammern und Innungen bieten eine Orientierung der ortsüblichen Vergütungsspannen.   

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Die Zeit, die der Handwerker für den Weg zum Kunden zurücklegt, zählt zu seiner Arbeitszeit. Daher darf er die Fahrzeit auch in Rechnung stellen, ebenso wie die Fahrzeugkosten. Viele Unternehmen berechnen dafür 80-90 Prozent des jeweiligen Stundenlohns. 

Aber Achtung: Fährt der Handwerker auf einer Tour mehrere Kunden an, muss er die Fahrzeiten zwischen diesen aufteilen.

Zu den Fahrkosten können noch die Fahrzeugkosten kommen. Die Höhe hängt vom jeweiligen Fahrzeugtyp ab. Bei der Berechnung kann eine Liste des ADAC hilfreich sein. Der Automobilclub hat für rund 1.500 gängige Fahrzeugtypen die Kosten pro gefahrenen Kilometer ermittelt. 

Diese Vollkostenkalkulation enthält bereits die Spritkosten. Fährt der Handwerker zum Beispiel einen Transit Kombi 310 L2 2.0 EcoBlue, liegen die Fahrzeugkosten laut ADAC bei 102,5 Cent pro Kilometer. 

Legt ein Handwerker mit einem solchen Fahrzeug zum Beispiel für die Hin- und Rückfahrt zum einem Kundentermin insgesamt 20 Kilometer zurück, lautet die Rechnung: 
Kosten pro Kilometer x Anzahl der gefahrenen Kilometer = Fahrzeugkosten. In unserem Beispiel ergeben sich demnach Fahrzeugkosten von 20,50 Euro. 

Bei größeren Bau- oder Sanierungsvorhaben rät die Baurechtsexpertin Manuela Reibold-Rolinger grundsätzlich dazu, einen baubegleitenden Qualitätskontrolleur hinzuzuziehen. Dieser kann auch beurteilen, ob die Rüstzeiten angemessen sind. 

Informationen zur ortsüblichen Vergütung der jeweiligen Gewerke können die entsprechenden Innungen und Verbraucherverbände erteilen. 

"Rüstzeiten sind auch dann ein entscheidendes Thema, wenn Abläufe auf der Baustelle gestört werden", sagt Manuela Reibold-Rolinger. Sie rät unbedingt dazu, vorab zu klären, wie Unternehmen mit solchen Situationen umgehen. "Kann ein Handwerker beispielsweise nicht absehen, ob eine Wand tragend ist und muss sie erst öffnen, um das festzustellen, sollten die voraussichtlich anfallende Kosten im Kostenvoranschlag aufgeschlüsselt sein." 

Ebenfalls ein Klassiker: "Bei Sanierungen im Bestand kommt es häufig vor, dass Handwerker das Aufmaß nicht korrekt nehmen und es daher zu Verzögerungen kommt", weiß die Baurechtsexpertin. "Diese Kosten dürfen nicht dem Kunden untergeschoben werden. Deshalb muss im Vertrag stehen, dass der Bestandscheck auf Basis des eigenen Aufmaßes gemacht wurde."

Neben den Innungen der jeweiligen Gewerke können Fachjuristen und baubegleitende Qualitätsprüfer einordnen, ob die vom Handwerker angesetzten Kosten für Rüstzeiten angemessen sind. Der Jurist Holger Scheiding rät darüber hinaus: "Gerade wer neu bauen oder im großen Stil sanieren möchte, sollte sich unbedingt sich bei Verbraucher-Verbänden beraten lassen."

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