Kann man ein Tiny House auf dem Dach eines anderen Hauses bauen? Man kann! Über das "Penthaus à la Parasit" und eine außergewöhnliche Form des Protests.
Ist das etwa... ein UFO? Das Gebilde, das vor einigen Monaten im Berliner Bezirk Neukölln auf dem Dach eines gewöhnlichen Wohnhauses aufgetaucht ist, wirkt fast, als käme es aus einer anderen Welt, mindestens aber aus einer fernen Zukunft. Einerseits reflektiert der blaue Himmel von der komplett verspiegelten Oberfläche, auch die gegenüberliegenden Gebäudefassaden sind darin verzerrt zu erkennen. Solche spiegelglatten Strukturen kennt man sonst aus Science-Fiction-Blockbustern wie Star Wars.
Andererseits hat das unbekannte Objekt ansonsten nichts mit einer fliegenden Untertasse gemein. Die Form ist viel zu gewöhnlich, als dass es ein UFO sein könnte. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: Es handelt sich bei der Konstruktion um eine klitzekleine Hütte mit Spitzdach, nur wenig größer als ein mobiles Toilettenhäuschen. Ein Tiny House auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses.
Dass der Berliner Wohnungsmarkt, wie auch der vieler anderer deutscher Großstädte, angespannt ist, ist ein bekanntes Problem. Die Stadt wächst, gleichzeitig werden zu wenige neue Wohnungen gebaut, die Mietpreise schießen durch die Decke. 2020 soll deshalb in der Hauptstadt ein Mietendeckel in Kraft treten, der die Mietpreise in Schach halten soll. Ob das der richtige Ansatz ist, ist umstritten. Schließlich werden alleine durch diese Maßnahme kaum mehr Wohnungen entstehen.
Statt der dringend benötigten Wohnungen für Geringverdienende setzen Investoren Luxus-Apartments und Penthouses auf die Dächer bestehender Wohnhäuser, so die Kritik. Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware, Menschen mit nur kleinem Einkommen werden zunehmend in den Speckgürtel der Stadt verdrängt. Und die Reichen? Die kaufen sich die Dächer der Stadt, auf denen einst die Berliner ihre Sommer verbrachten.
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Aneignung von oben: Auf 3,7 Quadratmetern
Diese Entwicklung stellen Jakob Wirth und Alexander Zakharov mit ihrem Tiny House auf den Kopf. Die beiden Künstler und Aktivisten holen sich mit dem "Penthaus à la Parasit" zurück, was ihnen nicht gehört, sehr wohl aber zusteht, so die Logik. Im Gegensatz zu seinen exklusiven Pendants hat das heimatlose Tiny House nur etwa 1.000 Euro gekostet. Dabei verzichtet es auf jeglichen Luxus und kommt mit lediglich 3,7 Quadratmetern aus. Auf der kleinen Wohnfläche finden sich eine Mini-Küche, ein Bett und ein Schreibtisch. Es gibt sogar WLAN und einen Briefkasten.
Mit der Besetzung der Berliner Brachdachflächen fordern die beiden Künstler "ein Recht auf Stadt ein, ein Recht auf Zentralität und Freiraum, ein Recht auf Weitblick für alle". Und sie stellen die Frage: Wer ist hier der Parasit? Sind es nicht vielleicht doch die Gentrifizierer, die vom Umfeld profitieren und sich an den über viele Jahrzehnte gewachsenen Organismus heften? Oder kann eine Stadt von Parasiten, wie dem Minihaus der beiden Künstler, sogar profitieren – ganz so wie es zuweilen auch in der Natur geschieht?
Auch wenn Jakob Wirth in der ersten Wochen selbst in das kleine Häuschen eingezogen ist, soll es nicht zur dauerhaften Bleibe werden. Schließlich gibt es dafür keine Genehmigung. Es dient viel mehr als bewohnbare Kunstinstallation, die auf die Probleme einer Stadt wie Berlin aufmerksam macht. Jeder, der Interesse hat, kann sich per Mail auf eine Übernachtung im Penthaus à la Parasit bewerben.
Jederzeit kann die Polizei vor der Tür stehen und das Haus räumen, was nun schon mehrere Male geschehen ist. Die beiden Erbauer sind dann jedes Mal zur Stelle und ziehen sich mit ihrem Kunstwerk zurück. Auch aus diesem Grund war es wichtig, dass die Konstruktion möglichst schnell aufgestellt werden kann. Nur drei Stunden dauert der Auf- oder Abbau.
Bislang hat das parasitäre Häuschen jedes Mal einen anderen Wirt gefunden und ist auf einem anderen Dach gelandet. Doch mittlerweile ist das Unvermeidliche passiert: Das Penthaus à la Parasit ist selbst verdrängt worden. Es steht nun auf einem Dach des kleinen Örtchens Bernau – einem Vorort von Berlin.
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