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Bauverzögerung: So sichert ihr euch dagegen ab

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Eva Dorothée Schmid


Bauverzögerung kommt häufig vor: Bei fast jedem zweiten Eigentümer hat der Hausbau länger gedauert als geplant. Das ist nicht nur ärgerlich, ein verspäteter Fertigstellungstermin kann auch hohe Kosten verursachen. Wann das Bauunternehmen zahlen muss, lest ihr hier.

  1. Wann liegt eine Bauverzögerung vor?
  2. Wie kann ich mich gegen Bauverzögerung absichern?
  3. Ist eine Vertragsstrafe sinnvoll, um sich gegen Bauverzögerung abzusichern?
  4. Wann wird die Vertragsstrafe fällig und wie hoch darf sie sein?
  5. Wann kann sich das Bauunternehmen bei Bauverzögerung auf höhere Gewalt berufen?

Bauen dauert meist länger als geplant. Die Gründe für Bauverzögerung sind vielfältig: ein mangelhaftes Fundament, falsch verlegte Fliesen, zu wenig Arbeitskräfte, schlechtes Wetter oder, ganz aktuell, nicht verfügbares Baumaterial. Ein häufiger Grund für Bauverzug ist auch die Tatsache, dass Bauvorhaben gestartet werden, bevor die verbindliche Planung abgeschlossen ist. Oder dass Bauherren nachträgliche Änderungswünsche haben. Solche und andere Dinge sorgen dafür, dass der Fertigstellungstermin nicht eingehalten werden kann.

Schlecht, wenn dann die Wohnung schon gekündigt, die neue Einbauküche geordert, der Umzugswagen bestellt und die Kinder schon in der neuen Kita angemeldet sind. Die Familie muss entweder ins Hotel, zu Verwandten oder notgedrungen auf der Baustelle einziehen. Dabei entstehen erhebliche Zusatzkosten. Wer kommt dafür auf? Im für die Baufamilie besten Fall das Bauunternehmen. Doch das ist nur dann schadensersatzpflichtig, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

Wann liegt eine Bauverzögerung vor?

Nach dem Gesetz liegt eine Bauverzögerung immer dann vor, wenn der Vertragspartner eine fällige Leistung nicht erbringt. Deshalb ist es erforderlich, dass im Bauvertrag feste Termine vereinbart sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt rechtlich eine Bauverzögerung vor.

In der Praxis berufen sich Bauunternehmen oft auf die Tatsache, dass höhere Gewalt zu der Verzögerung geführt hat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Bauunternehmen in der Beweislast für den Verspätungsgrund ist. Der Bauunternehmer muss sagen, was der Grund für die Bauverzögerung ist und er muss diesen Grund auch belegen. Ist dies nicht möglich, macht sich das Bauunternehmen schadensersatzpflichtig.

Wie kann ich mich gegen Bauverzögerung absichern?

Am besten sichert man sich gegen Bauverzögerungen ab, "indem man eine klare Bauzeitenregelung in den Bauvertrag aufnimmt: Baubeginn, Bauzeit, Bauende", sagt Manuela Reibold-Rolinger, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht.

Handelt es sich um einen Vertrag mit einem Generalunternehmen, kann entweder ein Fertigstellungstermin vereinbart oder die Erreichung einzelner Bauzwischenschritte in einem Terminplan aufgestellt werden. Auch bei der Ausführung einzelner Gewerke durch verschiedene Anbieter kann man Fertigstellungstermine vertraglich vereinbaren.

In den meisten Bauverträgen fehlen allerdings feste Fertigstellungstermine oder diese sind nur vage formuliert. "Dann haben es Bauherren in der Regel schwer, ihre Schadensersatzansprüche auch rechtlich durchzusetzen", erklärt die Fachanwältin.

Ein Beispiel: Die Angabe "Fertigstellung Ende April 2022" im Bauvertrag ist keine verbindliche Vertragsfrist, sondern nur eine ungenaue zeitliche Einordnung für die Fertigstellung. Auch die die Klausel "die Bauzeit beträgt sieben Monate nach Baubeginn" ist problematisch. Sie kann dazu führen, dass der Bauunternehmer den Baubeginn beliebig verzögert, beispielsweise durch späteres Einreichen des Bauantrages.

Tipp: Um sicher zu gehen, dass euer Bauvertrag klar regelt, wann was fertig sein muss, solltet ihr ihn vor der Unterschrift unbedingt juristisch prüfen lassen.

Ist eine Vertragsstrafe sinnvoll, um sich gegen Bauverzögerung abzusichern?

"Wenn der Unternehmer weiß, wenn ich die Frist nicht einhalte, dann muss ich 3.000 Euro pro Monat an den Bauherren als Vertragsstrafe zahlen, dann wird er sich vielleicht auch mehr anstrengen", sagt Manuela Reibold-Rolinger. Deshalb rät sie für den Fall, dass Fertigstellungstermine nicht eingehalten werden, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren.

Allerdings gibt es keine gesetzliche Pflicht, die ein Unternehmen zwingen könnte, eine Vertragsstrafe anzubieten. Ob sie mit in den Bauvertrag aufgenommen wird, ist also Verhandlungssache.

Wann wird die Vertragsstrafe fällig und wie hoch darf sie sein?

Vertragsstrafen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 339 und den folgenden Paragrafen geregelt. Demnach bekommen Bauherren eine bestimmte Geldzahlung, sobald der Bauunternehmer die Bauzeit aus eigener Schuld überschreitet. Diese Geldzahlung steht ihnen auf alle Fälle zu, unabhängig davon, ob sie durch die Verzögerung tatsächlich einen Schaden haben oder nicht.

Darüber hinaus können Bauherren bei Bauverzögerung einen tatsächlichen Schaden zusätzlich geltend machen, etwa hohe Hotelkosten oder weiter laufende Mietzahlungen. Auch Bereitstellungszinsen für den Baukredit können sie sich erstatten lassen. Die Vertragsstrafe wird aber auf weitere verzögerungsbedingte Schäden angerechnet.

Der Unterschied zwischen einer Vertragsstrafe und einem Verzugsschadensersatz liegt darin, dass der Verzugsschadensersatz verschuldensabhängig ist. Das bedeutet, dass das Bauunternehmen nicht haftbar gemacht werden kann, wenn es die Bauverzögerung nicht zu vertreten hat. Eine Vertragsstrafe ist dagegen in der Regel verschuldensunabhängig.

Zur zulässigen Höhe der Vertragsstrafe gibt es diverse Urteile. Daraus folgt, dass die gesamte Vertragsstrafe maximal fünf Prozent der Gesamtnettoabrechnungssumme betragen darf. Der Bundesgerichtshof hat zudem entschieden, dass die Vertragsstrafe je Arbeitstag maximal 0,5 Prozent der Nettoauftrags- oder Abrechnungssumme betragen darf.

Wann kann sich das Bauunternehmen bei Bauverzögerung auf höhere Gewalt berufen?

Wenn ihr mit dem Bauunternehmen vertraglich einen festen Termin für die Fertigstellung eures Hauses vereinbart habt, dann kommt die Baufirma bei Verzögerungen nur in wenigen Ausnahmefällen um eine Vertragsstrafe herum. Das betrifft den Fall der sogenannten "höheren Gewalt". Die liegt vor, wenn beispielsweise eine Naturkatastrophe die Bauarbeiten stark beeinträchtigt. Schlechtes Wetter hingegen reicht nicht aus, um eine Bauverzögerung zu entschuldigen. Zudem muss der Bauunternehmer nachweisen, dass er keine Schuld an der Bauverzögerung trägt.

Der Bundesgerichtshof entschied in einem Urteil (VII ZR 28/07), dass eine Fertigstellungsfrist nicht durch "witterungsbedingte Beeinträchtigungen" verlängert werden kann. Ungünstige Wetterbedingungen wie Kälte im Winter oder andauernder Regen im Herbst sind nichts Außergewöhnliches. Sie können daher nicht als Rechtfertigung für eine Bauverzögerung dienen.

Kann beispielsweise die Baugrube auf Grund von starkem Frost nicht ausgehoben werden, handelt es sich um "höhere" Gewalt. Arbeiten im Innenausbau wie das Verputzen der Wände oder Estrichverlegung können jedoch auch bei strengen Minustemperaturen erfolgen. In diesem Fall muss der Bauunternehmer die Räume auf seine Kosten beheizen.

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