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Die Rückkehr der Dienstwohnung: Firmen entdecken Mitarbeiterwohnen neu


Ein altes Wohnkonzept erlebt gerade eine Renaissance: das Mitarbeiterwohnen. Immer mehr Konzerne kümmern sich um Wohnungen für ihre Mitarbeiter und hoffen, dass sie so begehrte Fachkräfte gewinnen können. Doch das Konzept sorgt auch für Kritik.

  1. Mitarbeiterwohnen als Standortvorteil für Unternehmen
  2. Gesetzliche Hindernisse weiter abbauen
  3. Mitarbeiterwohnen bei der Deutschen Bahn
  4. Werkswohnungen für Mitarbeiter der öffentlichen Hand in Berlin
  5. Bezahlbare Wohnungen am Flughafen München
  6. Vorreiter auch beim Mitarbeiterwohnen? Das Silicon Valley
  7. Kritik an den Werkswohnungen

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp in Deutschland. Ein neuer Trend soll das jetzt ändern. Das Mitarbeiterwohnen soll den Wohnungsmarkt entlasten. Zu dem Ergebnis kommt die Studie "Mitarbeiterwohnen: Der 'Kampf um die Köpfe' geht übers Wohnen". Die hat das Forschungsinstitut RegioKontext im Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und des Deutschen Mieterbundes durchgeführt.

Demnach würden mittlerweile immer mehr Unternehmen Wohnen und Arbeiten zusammendenken und ihren Mitarbeitern Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Das Konzept ist kein neues: Im 19. Jahrhundert war es in Industriezentren üblich, dass die Arbeiter in von Unternehmen geschaffenem Wohnraum lebten. Seit einigen Jahren ist das Konzept aber wieder in der Wirtschaft angekommen. Unternehmen wie die Deutsche Bahn, BASF, Bosch, Audi und VW nutzen das Mitarbeiterwohnen.

Mitarbeiterwohnen als Standortvorteil für Unternehmen

Der Vorteil für die Unternehmen liegt auf der Hand: Bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiger Standortfaktor. Wenn die Unternehmen selbst dafür sorgen – besonders in Gegenden, in denen Wohnraum rar ist – haben sie beim Kampf um begehrte Fachkräfte die Nase ein Stück weit vorne. Mitarbeiterwohnen sei daher ein "attraktives Instrument in der Personalpolitik", sagt Studienleiter Arnt von Bodeschwingh von RegioKontext.

Und weiter: "Durch das Mitarbeiterwohnen entstehen bedarfsgerechte, bezahlbare Wohnangebote dort wo sie fehlen und dringend benötigt werden. Damit helfen Mitarbeiterwohnungen auch dem Wohnungsmarkt insgesamt." Auch der Deutsche Mieterbund sieht in Mitarbeiterwohnungen eine Chance für mehr und vor allem bezahlbare Wohnungen vor Ort.

Gesetzliche Hindernisse weiter abbauen

Die Bundesregierung hat zusätzlich zum Jahreswechsel eine Hürde für das Mitarbeiterwohnen beseitigt. Seit 2020 gilt: Wenn Arbeitnehmer verbilligt eine Wohnung von ihrem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommen, müssen sie diesen Vorteil nicht versteuern.

Den Neubau fördert der Trend Mitarbeiterwohnen aktuell noch wenig, heißt es in der Studie. Der Schwerpunkt liege aktuell auf dem Anmieten von Wohnungen. Das Problem laut GdW: die Grundstücksvergabe. Denn auf teurem Bauland könnten keine günstigen Wohnungen entstehen. Daher fordert der Verband die Kommunen auf, Bauflächen verstärkt für Werkswohnungen auszuweisen. Außerdem sollen Gemeinden die eigenen Flächen nicht an den Höchstbietenden vergeben, sondern in ihrer Entscheidung das Konzept mit berücksichtigen. Außerdem fordert der GdW, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, damit mehr Werkswohnungen entstehen.

Rechtliches zur Werkswohnung findet ihr bei Mietrechtslexikon.de.

Mitarbeiterwohnen bei der Deutschen Bahn

Werkswohnungen haben bei der Deutschen Bahn eine lange Geschichte. Zeitweise waren mehrere Zehntausend Wohnungen in ganz Deutschland im Besitz der Bahn. Irgendwann verlor die Bahn das Konzept Mitarbeiterwohnen aus dem Blickfeld. Angestoßen wurden neue Überlegungen darüber von Mitarbeitern aus München, wo bezahlbarer Wohnraum bekanntlich sehr knapp ist. Über ein neu geschaffenes Projekt besann man sich zunächst auf bereits geschlossene Verträge mit der Vonovia. Durch eine neue Kooperation mit dem Immobilienkonzern kommen Mitarbeiter der Bahn leichter an Besichtigungstermine und müssen keine Kaution bezahlen.

Die Bahn stellt allerdings auch möblierte Wohnungen an mehreren Standorten wie München, Hamburg und Köln bereit. Bis zu 24 Monate vermietet die Bahn diese Wohnungen an ihre Mitarbeiter. Für Auszubildende hat der Konzern außerdem eigene Wohnungen angemietet. In München hat die Deutsche Bahn zusätzlich vor kurzem die Belegrechte für 74 neue Wohnungen erworben. Der Quadratmeterpreis: zwölf Euro. Und damit deutlich unter dem Durchschnitt in der bayerischen Landeshauptstadt von aktuell 20 Euro.

Werkswohnungen für Mitarbeiter der öffentlichen Hand in Berlin

Das Immobilienunternehmen Berlinovo, das dem Land Berlin gehört, verfolgt ebenfalls ein Mitarbeiterwohnen-Konzept. Schon seit mehr als 50 Jahren stellt das Unternehmen möblierten und bedarfsgerechten Wohnraum für zuziehende Mitarbeiter der Stadt zur Verfügung. Die Berlinovo nutzt jedoch nicht nur Bestandswohnungen. Sie will auch im Bereich Neubau aktiv werden. Ende 2019 etwa wurden insgesamt 101 Apartments für Studierende im Stadtteil Lichtenberg fertiggestellt. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Hochschule für Wirtschaft und Recht, wo Polizeianwärter auf ihren Dienst vorbereitet werden. Von den Wohnungen soll ein Drittel für die Polizei reserviert werden, der Rest wird an Studierende vermietet. Künftig will die Berlinovo solche Projekte vermehrt umsetzen.

Bezahlbare Wohnungen am Flughafen München

In München ist bezahlbarer Wohnraum bekanntlich rar. Ein Thema, das auch den Flughafen beschäftigt. 2016 wurde daher ein Team gebildet, das sich vorrangig mit dem Wohnraum für Mitarbeiter beschäftigt. Im Jahr 2018 wurde ein Objekt mit 46 möblierten Apartments für die Mitarbeiter im Stadtteil Bogenhausen eingeweiht. Die Apartments – vorrangig für zuziehende Mitarbeiter – werden für bis zu 24 Monate vermietet. Zusätzlich hat der Flughafen Ende vergangenen Jahres in Hallbergmoos – in unmittelbarer Nähe – ein Mitarbeiterhotel eröffnet. Dort finden sich 132 voll ausgestattete Apartments. Die Mitarbeiter können dort Zusatzleistungen, wie das Anmieten einer Mikrowelle, buchen. Das soll dafür sorgen, dass die Grundmiete niedrig bleibt.

Vorreiter auch beim Mitarbeiterwohnen? Das Silicon Valley

Im Silicon Valley ist der Trend des Mitarbeiterwohnens schon länger angekommen. Seitdem sich in den 2000er Jahren in der Gegend unweit von San Francisco vermehrt Tech-Konzerne angesiedelt haben, sind die Immobilienpreise dort in die Höhe geschossen. Konzerne wie Google und Facebook begnügen sich aber nicht nur damit, ihren Mitarbeitern günstige Wohnungen anzubieten. Sie wollen eigene Gemeinden schaffen – mit kurzen Wegen zwischen Wohnungen, Büro und Freizeiteinrichtungen.

In Menlo Park baut Facebook zum Beispiel gerade den Willow Campus. Dort sollen 1.500 Wohnungen für Mitarbeiter des Social Media-Giganten entstehen. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant. Der Grund war auch für Facebook: Die Mitarbeiter können sich – trotz ihres ansehnlichen Gehalts – die Mieten im Silicon Valley nicht mehr leisten.

Auch Google hat schon Wohnungen für Mitarbeiter gebaut. Anfangs nur wenige Hundert. Im Juni 2019 hat der Suchmaschinen-Konzern allerdings angekündigt, dass er in den nächsten zehn Jahren eine Milliarde Dollar in Wohnungen in der Bay Area investieren will. Das Unternehmen schätzt, dass allein auf den Grundstücken, die ihm ohnehin schon gehören, 15.000 Wohnungen entstehen könnten – ein Teil davon auch für die eigenen Mitarbeiter. Dafür müssten die Grundstücke allerdings in Bauland umgewidmet werden.

Kritik an den Werkswohnungen

Besonders das Konzept der Tech-Riesen aus den USA wurde in den vergangenen Jahren häufig kritisiert. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben würde immer weiter verschwimmen, eine Work-Life-Balance sei dann nicht mehr vorhanden. Auch in Deutschland regen sich Bedenken, ob das Konzept Mitarbeiterwohnen tatsächlich nachhaltig für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen kann.

Optimistische Prognosen würden nur von 10.000 Wohnungen ausgehen, die pro Jahr durch das Konzept geschaffen werden, sagte Sigmar Gude von der Beratung für Stadtentwicklung Asum dem Deutschlandfunk. Gebaut werden müssten allerdings 300.000 neue Wohnungen jährlich, um die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen. Außerdem warnt Gude, dass die Werkswohnungen bei der Grundstückvergabe nicht in Konkurrenz zu sozial geförderten Wohnungen stehen dürften.

Quellen: Studie Mitarbeiterwohnen

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