Wohnen | Homestory

Colonia-Haus: So lebt es sich in Deutschlands höchstem Wohnhaus

Portrait von Katharina Schneider
Katharina Schneider

Es ist schon dunkel, als Heinrich Haas die Wohnung im Colonia-Haus nach Feierabend zum ersten Mal besichtigt. Nur Köln unter ihm leuchtet. "Und da war mir sofort klar: Diese Wohnung musst du haben", sagt Haas heute.

20 Jahre ist das jetzt her. Seitdem lebt Haas im 36. Stock des höchsten Wohnhauses Deutschlands. Der 65-Jährige wohnt dort auf rund 100 Quadratmetern, zusätzlich hat er 30 Quadratmeter Balkonfläche. Mit einem beneidenswerten Ausblick: auf der einen Seite Dom und Rhein, auf der anderen Seite der Kölner Zoo.

Die Elefanten sind groß genug, die sieht man von oben.

Heinrich Haas über seinen Blick von oben auf den Kölner Zoo

Doch die Geschichte zwischen Haas und dem Colonia-Haus beginnt schon früher: im Jahr 1975. Eigentlich sollte es nur eine Übergangslösung sein. Seine Wohnung mitten im Studentenviertel war dem ehemaligen Kaufmann zu laut, die Mietwohnung im 28. Stock des Wohnturms war eine lärmarme Alternative. Eine Alternative, die irgendwann zur Liebe wurde.

Auf einen Blick: Alle Fakten zum Colonia-Haus

  • Höhe: 155 Meter (mit Antenne)
  • Stockwerke: 42
  • Anzahl der Wohnungen: 352
  • Anzahl der Einheiten: 373
  • Eröffnung: 1973
  • Architekt: Henrik Busch
  • Anzahl der Aufzüge: 4
  • Bauherr: Colonia-Versicherung
  • Hausverwaltung: Münch Wohnungsverwaltung
  • Eigentümer: Streubesitz
  • Website des Colonia-Haus

Ausblick ist "ein lebendes Gemälde"

"Jede Wohnung im Colonia-Haus hat ihr spezielles Flair", schwärmt Haas. In seiner ersten Wohnung habe er die schönsten Sonnenaufgänge seines Lebens gesehen, jetzt kann er die Elefanten im Kölner Zoo beobachten. "Die Elefanten sind groß genug, die sieht man von oben", sagt er. Einen Fernseher brauche man hier nicht, denn der Ausblick sei wie ein "lebendes Gemälde".

Das Colonia-Haus im Kölner Stadtteil Riehl wurde 1973 fertiggestellt und ist bis heute das höchste Gebäude Deutschlands mit hauptsächlicher Wohnnutzung. Doch nicht mehr lange, denn demnächst ziehen die ersten Bewohner in den fertigen Grand Tower. Bis 1976 war das Colonia-Haus sogar das höchste Wohnhaus in ganz Europa.

Der Kölner Architekt Henrik Busch entwarf den Bau einst für die Colonia-Versicherung. Die war damals Bauherr und Besitzer des Gebäudes und nutzte es als Bürogebäude. Mit Antenne misst das Hochhaus 155 Meter (ohne 147 Meter) und ist damit nur drei Meter niedriger als der Kölner Dom.

24/7-Pförtnerdienst im Colonia-Haus

Der Blick ist nicht das einzige, was das Colonia-Haus seinen Bewohnern bieten kann. Es gibt einen 24/7-Pförtnerdienst, zwei festangestellte Hausmeister nur für das Gebäude, einen Wellness-Bereich, ein Schwimmbad. Heinrich Haas genießt das. Der Pförtner nimmt seine Pakete an, abends geht er oft im menschenleeren Pool schwimmen.

Als er eingezogen ist, gab es im Haus sogar einen Supermarkt und Ärzte. "Da brauchte man das Haus gar nicht zu verlassen, wenn man nicht wollte", sagt Haas. Heute kommt einmal in der Woche ein mobiler Supermarkt für diejenigen Bewohner, denen die angrenzenden Geschäfte zu weit entfernt sind.

Colonia-Haus am Rheinufer
Das Colonia-Haus ist mit 155 Metern aktuell das höchste Wohngebäude Deutschlands.

Gemeinschaft im Colonia-Haus: "Jeder kümmert sich um den anderen"

Haas schätzt auch den Zusammenhalt im Haus: "Wir sind eine richtige Gemeinschaft. Das ist wie ein Dorf, das in die Höhe gewachsen ist." Man grüße sich im Aufzug, er habe einige sehr gute Freundschaften im Haus. Und wenn jemand krank werde oder sich verletzte, dann kümmern sich die anderen um ihn.

Jeden der rund 1.000 Bewohner kennt Haas natürlich nicht – doch ihn kennen die meisten.

Im Jahr 1996 zog sich die Colonia-Versicherung aus ihrem Firmensitz zurück. Seitdem sind alle 352 Wohnungen in Privatbesitz, verwaltet wird das Gebäude von der Firma Münch. Seitdem gibt es auch einen Verwaltungsbeirat, dem Haas seit Beginn angehört, zeitweise auch als Vorsitzender.

Colonia-Haus: Ehemaliger sozialer Brennpunkt

In den 70er Jahren, als der 65-Jährige ins Colonia-Haus einzog, gab es den noch nicht. Da hatten Wohntürme keinen guten Ruf in der Bundesrepublik. Sie prägten in erster Linie soziale Brennpunkte von Städten und gerieten wegen Suiziden und schlimmen Bränden mit Todesopfern in die Schlagzeilen.

Von solchen Negativmeldungen ist das Colonia-Haus weitgehend verschont geblieben. Auch weil es hier von Anfang an einen Portier und Überwachungskameras gab und jeder Mieter einen Leumund benennen musste, da ist sich Haas sicher.

So etwas wie im Uni-Center Köln, dem nach dem Colonia-Haus Köln zweithöchstem Wohnhaus der Rheinmetropole, hätte es hier seiner Ansicht nach nicht gegeben: Dort mieteten RAF-Terroristen im Herbst 1977 eine Wohnung, aus der heraus sie die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer planten. Nicht unbedingt ein Ereignis, das den Ruf von Wohnhochhäusern verbessert hat.

Auch für Haas waren Wohnhochhäuser damals durchaus negativ besetzt. Er wollte eigentlich einfach nur eine Wohnung, die ruhig ist, deshalb habe ihn das nicht gestört. "Und wenn man es selbst erlebt, dann sieht es ohnehin ganz anders aus", resümiert er.

Mittlerweile hat sich auch die Sache mit dem Leumund erledigt. Denn entweder leben die Eigentümer selbst in ihrer Wohnung oder sie vermieten sie.

Hohe Wohnkosten wegen Portier, Schwimmbad und Sauna

Wohnungen im Colonia-Haus kommen immer wieder auf den Markt. Der Quadratmeterpreis richtet sich natürlich nach den Vorstellungen des Eigentümers – und der Höhe der Wohnung. Je höher, desto teurer. Gerade war wieder mal eine Wohnung auf dem Markt: 118 Quadratmeter in einem Stockwerk mit guter Aussicht, Preis: rund 500.000 Euro. Nicht günstig, aber letztlich ein niedrigerer Quadratmeterpreis, als er sonst in dieser Lage Kölns angeboten wird.

Wer hier nur mieten will, muss für eine vergleichbare Wohnung rund 2.000 Euro monatlich inklusive Nebenkosten ausgeben. Die Nebenkosten machen einen großen Teil der Miete aus. Natürlich bezahlt, wer hier lebt, den Komfort mit: Portier, Schwimmbad und Sauna gibt es schließlich nicht umsonst.

Deshalb, sagt Haas, seien die Bewohner im Colonia-Haus entgegen dem alten Klischee von den sozial schwachen Wohnturm-Mietern, auch eher gut betucht. Mittlerweile hat sich auch der Altersdurchschnitt im Haus wieder gesenkt, sagt Haas. "Es gibt immer mehr Familien mit Kindern hier." Und die haben einen großen Vorteil: Im Colonia-Haus gibt es einen eigenen Kindergarten.

Colonia-Haus in Köln mit Schiff auf dem Rhein
Das höchste Wohnhochhaus Deutschlands steht in Köln direkt am Rhein.

Ausgelegt ist das Haus aber auch für ältere Menschen. "Es ist hier alles absolut altersgerecht. Es gibt eine Rampe zum Eingang und natürlich die Aufzüge", sagt Haas.

Vier sind es an der Zahl, sogenannte Schnellaufzüge. Jeder kann bis zu 18 Personen transportieren, für Umzüge können die Türen geöffnet und der Aufzug-Eingang somit vergrößert werden. Natürlich falle da schon einmal ein Lift aus, sagt Haas. Aber dann nehme er halt einen der anderen. Aus Fitness-Gründen sei er auch einmal alle 36 Etagen bis zu seiner Wohnung gelaufen, aber das war früher, als er noch jünger war. Heute geht er nur noch zu Fuß, wenn er einen Nachbarn besucht. Allerdings sind das auch regelmäßig vier Stockwerke.

Briefträger hat für Colonia-Haus eigenes System entwickelt

Auch für sonstige Alltagsprobleme gibt es im Colonia-Haus Lösungen. Mal schnell den Müll runterbringen ist schließlich nicht so einfach, wenn man 100 Meter über dem Erdgeschoss lebt. Deshalb gibt es auf jeder Etage Müllschlucker, um Abfälle schnell und ohne lange Wege zu entsorgen.

Und natürlich wird auch die Post in Deutschlands höchstem Wohnhaus nicht so verteilt, wie in einem gewöhnlichen Mehrfamilienhaus. Bis zu 8.000 Briefe und Zeitschriften werden täglich an die Adresse "An der Schanz 2, 50735 Köln" geliefert. Die Briefkästen befinden sich nicht unten am Eingang, sondern sind auf alle Etagen verteilt.

Der Briefträger hat daher für die Verteilung ein eigenes System ausgedacht. Zunächst sortiert er die Briefe vor und verteilt sie als große Pakete zunächst in jeder 5. Etage. So fährt er bis ganz nach oben. Anschließend läuft er Stockwerk für Stockwerk die Treppe hinunter und verteilt die Post in die dafür vorgesehen Briefkästen. Eine Stunde kostet ihn diese Prozedur jeden Tag.

Köln im Nebel
Köln im Nebel: So sieht Heinrich Haas die Stadt von seinem Balkon aus.

Haas erlebt Erdbeben im Colonia-Haus

Doch was, wenn es stürmt? Ist es dann im Colonia-Haus immer noch so lebenswert? Schließlich sagen Experten, dass Menschen in Hochhäusern bei Wind Symptome von Seekrankheit zeigen.

Für Haas ist das kein Problem, Angst vor der Höhe hat er nicht, er hat sie immer genossen. Außer einmal. Bei einem Erdbeben, wie es sie im Erdbebengebiet Kölner Bucht immer mal wieder gibt, vor rund 20 Jahren.

Haas wachte morgens auf, weil er die Tiere im Zoo schreien hörte. Um nachzusehen, was der Grund für die Aufregung der Zoo-Bewohner sein könnte, ging er nach draußen. "Ich gehe auf den Balkon und stütze mich mit meinen Händen an der Brüstung ab. Und in dem Moment habe ich gedacht, ich stürze mit dem Haus um. Da wurde mir schon mulmig, der Balkon hätte sich schließlich lösen können."

Natürlich kam ihm das nur so vor. Aber tatsächlich kann sich das Colonia-Haus bewegen, bis zu 1,50 Meter in alle Richtungen. Das ist bei Hochhäusern normal, denn wenn es stürmt oder die Erde bebt, dann muss so ein Turm beweglich sein. Deshalb ist das Haus auch auf Rollen gebaut, sagt Haas. Auch wenn es stark windet, dann merkt er das in seiner Wohnung: an den Bilderrahmen, die mit Bleiseilen von der Decke hängen. Denn die schwanken dann.

Denkmalschutz ja oder nein?

Die Sache mit den Balkonen ist tatsächlich eine Sicherheitsfrage. Denn die Balkonbrüstungen müssen erneuert werden. 2021 soll es losgehen, sagt Haas. Als man der Hausgemeinschaft zum ersten Mal davon erzählt habe, hätten viele Bewohner Angst gehabt. Angst vor einer Luxussanierung. Darauf hin haben sich einige bei der Stadt Köln bemüht, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen.

Aktuell hat das Colonia-Haus diesen Status auch, doch der behindere Modernisierungsmaßnahmen, sagt Haas. Deshalb unternehme der Beirat gerade alle Anstrengungen, um diese Auszeichung wieder rückgängig zu machen.

Blick auf Rhein und Dom
Die Wohnungen mit Rhein- und Domblick sind die beliebtesten, sagt Heinrich Haas.

Die Rücknahme des Denkmalschutzes ist auch für einen anderen Status des Colonia-Hauses wichtig. Denn wie oben erwähnt: Bald wird es nicht mehr das höchste Wohnhaus Deutschlands sein. In Frankfurt wird noch in diesem Jahr der Grand Tower fertiggestellt, 2020 sollen die ersten Bewohner einziehen. 172 Meter wird der hoch sein, und damit 17 Meter höher als das Colonia-Haus. Doch man denkt über einen Aufbau nach, um dem Colonia-Haus seinen Spitzenplatz wieder zu sichern.

Heinrich Haas ist es nicht so wichtig, ob er nun im höchsten oder im zweithöchsten Wohnhaus Deutschlands lebt, solange er im Colonia-Haus lebt. Wo anders zu leben, das kann er sich nach so vielen Jahren nicht vorstellen. "Mein Wunsch ist es, dass ich hier irgendwann mit den Füßen zuerst rausgetragen werde."

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